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5komma5sinne-Talk: Wie wird aus einem Wohntraum leistbarer Wohnraum?
In den vergangenen Jahren blieb rund um den Wohnbau kein Stein auf dem anderen. Viele Steirer mussten den Traum vom Eigenheim wegen stark steigender Zinsen, strenger Kreditregeln und gestiegener Baukosten verschieben. Wo stehen wir jetzt? Ist bald alles wieder gut?
Rainer Stelzer (Vorstand Raiffeisen-Landesbank Steiermark): Der Wunsch nach Eigentum ist weiterhin ungebrochen. Zuletzt ist oftmals die Realisierung dieser Pläne am Thema der Leistbarkeit gescheitert. Wir hatten während der Nullzinsphase einen absoluten Boom bei den Eigenheim-Finanzierungen. Dann kam die harte Bremse: zehn Zinserhöhungen in Serie und die KIM-Verordnung (Anm.: damit ist die Verschärfung der Kreditregeln gemeint, die u. a. vorsah, dass Kreditnehmer 20 Prozent Eigenkapital aufbringen müssen und die Rückzahlungsrate nicht höher als 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens sein darf). Innerhalb weniger Monate war der Markt damit wie abgedreht. Viele Projekte wurden auf Eis gelegt. Zwei Jahre lang herrschte fast Stillstand. Seit im Vorjahr mit den Zinssenkungen begonnen wurde, spüren wir wieder Bewegung. Heute liegen wir zwar deutlich unter dem Niveau von 2019 oder 2022, aber immerhin 50 Prozent über dem Vorjahr – der Trend zeigt weiter nach oben. Entscheidend ist, dass sich die Menschen heute besser absichern wollen. Der Trend geht klar zur Fixzins-Finanzierung, Planbarkeit ist wichtiger als das letzte Zehntelprozent bei den Zinsen.
Wie ist die Lage aktuell für Bauträger und Projektentwickler, die ja im großen Stil finanzieren müssen?
Hannes Schreiner (Projektentwickler, Technopark Raaba): Ich würde die letzten Jahre überspitzt formuliert so zusammenfassen: Die Banken haben verdient, die Projektentwickler haben gelitten. Alle träumen vom Einfamilienhaus, aber immer weniger können es sich leisten. Die Baukosten sind explodiert: 55 Prozent entfallen auf Personal, 45 Prozent auf Material. Fixzinsen von drei bis vier Prozent verdoppeln die Belastung im Vergleich zur Niedrigzinsphase. Viele schaffen die Rückzahlung in 30 Jahren nicht mehr.
Robert Frischer (Geschäftsführung Haas Fertigbau): Da stimme ich zu. In der Niedrigzinsphase haben wir Wirtschaftswachstum gehabt ohne Ende, auch in unserem Unternehmen. Dadurch hat die Politik die Wohnbauförderung fast komplett vernachlässigt. Bauen war billig, Geld hat nichts gekostet, also hat man Förderungen gekürzt. Heute explodieren die Kosten – und gleichzeitig fehlen die Hilfen. 2023 war für uns miserabel, 2024 trat eine Erholung ein, mit einer Verdoppelung – 2025 schließen wir da an.
Daniela Katzbeck (Katzbeck Fenster & Türen): Das stimmt, Förderungen sind entscheidend: Als der Fenstertausch groß gefördert wurde, hatten wir volle Auftragsbücher. Nach dem Stopp war sofort ein Einbruch da. Uns hat geholfen, dass wir nicht nur im privaten Wohnbau tätig sind, sondern auch öffentliche Bauten wie Schulen mit Fenstern und Türen ausstatten. Und es war gut, dass wir im Vorfeld schon unser Sortiment erweitert haben. Also nicht nur Holz-Alu-, sondern auch günstigere Kunststoff-Fenster. Die Menschen wollen weiterhin ein Eigenheim. Bevor sie diesen Traum platzen lassen, suchen sie nach Möglichkeiten, es billiger anzugehen.
Der Wunsch nach Eigenheim ist ungebrochen. Aber Zinserhöhungen wirkten wie eine harte Bremse. Jetzt geht der Trend wieder nach oben.
Rainer Stelzer, Vorstand Raiffeisen-Landesbank Steiermark
Das heißt, die Steirer wollen den Traum vom Eigenheim, am liebsten ein Einfamilienhaus, um keinen Preis platzen lassen?
Rainer Stelzer: Viel Wohnfläche kostet und ist schwer leistbar. Gefragt sind heute kompakte Grundrisse mit guter Raumaufteilung und alltagstauglicher Planung. Auch modulare Bauweise mit Vergrößerungsmöglichkeit für später. Im urbanen Bereich sind Mikroappartements für Singles Alternativen, die überlegt werden. Im ländlichen Bereich gewinnt das Mehrgenerationenhaus wieder an Bedeutung.
Daniela Katzbeck: Wir sehen das auch. Viele bauen nicht neu, sondern sanieren, stocken auf oder setzen bei den Eltern ein Modulhaus dazu. Tiny Houses, Zubauten, Mischlösungen – das ist die Realität.
Robert Frischer: Diese Wünsche sind da von den Leuten, ja. Aber oft kriegt man dafür keine Genehmigung. Das sehe ich generell als Problem. Wir haben neun Bundesländer und neun verschiedene Baugesetze, es gibt eigene Brandschutzvorschriften, dann haben Gemeinden nochmal eigene Bausachverständige. Sachverständige gehen auf Nummer sicher und schreiben lieber mehr als weniger vor. Das alles kostet erstens was, zweitens scheitern Ausbaupläne häufig an Einsprüchen, von Anrainern oder sonst irgendwem. Was wir dezidiert bei neuen Einfamilienhäusern sehen: Viele wollen trotz allem groß bauen. 160 Quadratmeter sind nach wie vor gefragt, auch wenn es schwer leistbar ist. Es gibt heutzutage aber auch eine Erbengeneration, die braucht die Bank oft kaum noch.
Hannes Schreiner: Unser Ziel im Geschosswohnbau ist es, für alle Gesellschaftsschichten leistbares Wohnen zu schaffen, egal, ob man im Supermarkt an der Kasse sitzt oder Chef eines Konzerns ist. Durch kluge Planung schaffen wir auch Wohnmöglichkeiten für Eltern mit zwei Kindern auf 55 Quadratmetern. Das ist machbar. Kluge, sinnvolle Komprimierung der Wohnfläche ist unser Zugang. Aber das ist auch ein Thema der städtischen Entwicklung. Wenn man auf engem Raum wohnt, braucht es mehr öffentliche Plätze. Weil da oft zu wenig passiert, ändert sich die Rolle von Bauträgern und Projektentwicklern. Also nicht nur bauen und verkaufen oder vermieten – wir werden Aufgaben der öffentlichen Infrastruktur mitmachen, Stichwort Kinderbetreuungseinrichtung. Ich bin darüber hinaus auch überzeugt, dass der Anteil an Miete zunehmen wird. Wir halten in Österreich bei 55 Prozent Eigentum, 45 Prozent Miete – in der Stadt wird der Anteil auf 70 Prozent Miete zunehmen.
Rainer Stelzer: Wobei wir bei Miete wieder das Thema mit dem Armutsschutz im Alter haben. Wenn die Mieten und die Betriebskosten stärker ansteigen als die Pensionen, bekommt man im Alter ein Problem. Eigentum ist ein wichtiger Schutz gegen Armut im Alter.
Wir brauchen Mut zur Verdichtung, Mut zur Höhe und Entbürokratisierung.
Hannes Schreiner, Projektentwickler, Technopark Raaba
Die Kreditregeln wurden mit Ende Juni wieder etwas gelockert. Ist es jetzt wieder leichter, einen Wohnbaukredit zu bekommen?
Hannes Schreiner: Ich formuliere es anders. Die Menschen wissen gar nicht, dass sie wieder Geld bei der Bank bekommen könnten. Drei Prozent Fixzins auf 30 Jahre, das ist aktuell möglich. Aber die Menschen springen darauf noch nicht an, weil sie noch an die Zinsexplosion denken.
Rainer Stelzer: Dem kann ich nur zustimmen. Dass die Leute gar nicht wissen, dass sich die Banken wieder besser rühren können. Wir haben durch die Ausnahmekontingente die Möglichkeit, Wohnbaupläne zum Beispiel vom Jungfamilien zu finanzieren, auch wenn diese nicht die 20 Prozent Eigenkapital aufbringen können. Gleichzeitig liegt auf den Konten so viel Geld wie noch nie zuvor – plus eine Milliarde im letzten Jahr. Aber wenn die Zeiten unsicher sind, neigt man eher zum Sparen.
Stadt oder Land – wohin zieht es die Menschen?
Rainer Stelzer: Graz und das Umland bleiben nach wie vor Magneten, aber hier ist Grund und Boden knapp und teuer. Daher gewinnt das günstigere und erschwingliche Eigenheim in ländlichen -Regionen wieder an Bedeutung. Dabei werden weitere Wegstrecken, zum Beispiel zur Arbeit, wieder vermehrt in Kauf genommen. Neue Homeoffice-Modelle verstärken diese Überlegungen. Entscheidender Faktor sind die wesentlich günstigeren Grundstückspreise. Von dieser Entwicklung könnten manche von Abwanderung bedrohte Regionen durchaus wieder profitieren.
Daniela Katzbeck: Stimmt. Die Menschen zieht es schon auch aufs Land. Aber die Infrastruktur muss passen. Wichtig sind Kinderbetreuungseinrichtungen, Jobs und Anbindung.
Hannes Schreiner: Ein Gamechanger wird die Koralmbahn. Klagenfurt als Wohnstadt, Graz als Arbeitsstadt – dazwischen nur 45 Minuten Fahrtzeit. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Siedlungsentwicklung entlang von günstigen Autobahn-Anbindungen abgespielt. Künftig wird das rund um Bahnhöfe passieren. Mobilität muss neu gedacht werden: mehr Rad, mehr Fahrgemeinschaften, E-Mobilität und öffentliche Verkehrsmittel.
Bevor die Menschen den Traum vom Eigenheim platzen lassen, suchen sie Möglichkeiten, die Pläne günstiger umzusetzen.
Daniela Katzbeck, Katzbeck Fenster & Türen
Aber die Öffis müssen oft erst ausgebaut werden …
Hannes Schreiner: Wir haben pro Jahr eine Steigerung von zwei Prozent im individuellen Verkehr. Um das zu kompensieren, bräuchte es einen Ausbau der Kapazitäten im öffentlichen Verkehr um zwanzig Prozent. Das Jobbike verändert gerade vieles – man kommt auch nach längeren Wegstrecken unverschwitzt zur Arbeit.
Wenn es ums Wohnen auf dem Land geht – gibt es eigentlich noch das Fertighaus von der Stange oder dominieren individuelle Wünsche?
Robert Frischer: Im gesamten Fertighausbereich gibt es seit 15 Jahren schon nichts mehr von der Stange. Das ist ein Mythos. Ja, es gab früher einmal das berühmte Haus aus dem Katalog – aber das sind heute nicht mehr als Impressionen möglicher Umsetzungen. Wir bauen, wie der Kunde es will.
Und wie sieht es mit dem gemeinnützigen Wohnbau aus? Immerhin waren Wohnbau-Genossenschaften lange Jahre eine fixe Größe in der Schaffung von neuem Wohnraum.
Rainer Stelzer: Der Genossenschaftswohnbau springt zum Glück wieder an, heuer werden 1600 Wohneinheiten neu errichtet. Das ist wichtig fürs leistbare Wohnen – aber dieses System ist stark auf Miete ausgelegt.
Im Fertighausbereich gibt es seit 15 Jahren nichts mehr von der Stange. Das ist ein Mythos. Wir bauen, wie die Kunden es wollen.
Robert Frischer, Geschäftsführung Haas Fertigbau
Wie stark bestimmt Nachhaltigkeit das Bauen, oder anders gefragt: Ist Nachhaltigkeit ein Kostentreiber?
Rainer Stelzer: Sie ist vor allem ein Investitionstreiber. Und hilft dabei, die laufenden Kosten des Wohnens dauerhaft zu senken. Daher sind im Neubau eine Photovoltaikanlage, eine Wärmepumpe und Vollwärmeschutz heute meist schon Standard.
Robert Frischer: Auf unsere Häuser bauen wir standardmäßig eine Photovoltaikanlage. Auch wenn diese nur in einzelnen Bundesländern im Neubau fix vorgeschrieben sind.
Daniela Katzbeck: Auch wenn sich manche das alles nicht sofort leisten können, sehen wir, dass viele eine Photovoltaikanlage mitplanen, aber erst dann umsetzen, wenn sie wieder das Geld dazu haben.
Hannes Schreiner: Nachhaltigkeit geht nur, wenn sie leistbar ist. Wünschenswert wären steuerliche Anreize für ökologische Baustoffe – eine Belohnung, wenn man klimafreundlich baut.
Zum Abschluss: Was muss sich ändern, damit aus Wohnträumen Wohnräume werden – und wo ist die Politik gefragt?
Rainer Stelzer: Wir brauchen in der Steiermark eine zielgerichtete Wohnbauförderung für Jungfamilien und nachhaltige Projekte – aber bitte keine Gießkanne. Sehr zielgerichtet finde ich Annuitätenzuschüsse – die helfen langfristig mehr als einmalige Beträge. Ich wünsche mir hier positive Signale, auch vom Land Steiermark: Denn heute wird oft nicht investiert, weil man auf eine Förderung wartet.
Robert Frischer: Langfristige Planbarkeit ist entscheidend. Förderungen sollten nicht nach einer Wahlperiode wieder gestrichen werden. Beispiel Photovoltaik: Erst Pflicht, dann Stopp, dann neue Gebühren. Das erzeugt Investitionsstau.
Hannes Schreiner: Mein wichtigster Wunsch ist ganz klar – Deregulierung. In Graz haben wir mittlerweile einen Engpass, weil wir zuletzt beinahe Stillstand im Geschosswohnbau hatten. Und wir brauchen Mut zur Höhe und Mut zur Nachverdichtung – mit der Stadt Graz muss ich ab 20 Meter Bauhöhe um jeden einzelnen Meter feilschen. Aber ohne Nachverdichtung kommen wir nicht weiter. Daher wünsche ich mir auch eine Verbesserung der Gesprächskultur mit Politik und Behörden.
Daniela Katzbeck: Wir brauchen ganz einfach wieder vermehrt positive Signale, das gilt für die gesamte Wirtschaft.










