Aus einer Klasse junger Winzer wurden Winzer mit Klasse

Drei Freunde, drei Weinregionen, drei Spitzenwinzer: Vor 25 Jahren haben Walter Frauwallner (Straden), Reinhard Muster (Gamlitz) und Wolfgang Retter-Kneissl (Hartberg) in Silberberg die Schulbank gedrückt. Heute beherrschen sie das große Wein-mal-eins und erzählen, wie das Klima ihre Arbeit verändert und welches Klima in ihrer Freundschaft herrscht.

Aus einer Klasse junger Winzer wurden Winzer mit Klasse

Drei Freunde, drei Weinregionen, drei Spitzenwinzer: Vor 25 Jahren haben Walter Frauwallner (Straden), Reinhard Muster (Gamlitz) und Wolfgang Retter-Kneissl (Hartberg) in Silberberg die Schulbank gedrückt. Heute beherrschen sie das große Wein-mal-eins und erzählen, wie das Klima ihre Arbeit verändert und welches Klima in ihrer Freundschaft herrscht.

Das Leben ist eine Achterlbahn. Aber bevor Sie jetzt denken, es möge immer steil bergauf gehen: Auch das kann ganz schön anstrengend sein. Vor allem im Weingarten. „Da mussten wir damals raufrennen, wenn wir in der Schule einen Blödsinn angestellt haben“, legen die drei Freunde ihren Kopf ins Genick und schauen auf die extrem steile Terrassen-Weinanlage „Ried Steinbruch“, wo hoch über der Obst- und Weinbaufachschule Silberberg Sauvignon blanc mit bester Aussicht heranreift. Das Grinsen der drei Freunde verrät mehr als sie selbst: Sie dürften des Öfteren hinaufgelaufen sein. Die drei, das sind Wolfgang Retter-Kneissl aus Hartberg, Walter Frauwallner aus Straden und Reinhard Muster aus Gamlitz, die vor exakt 25 Jahren ihre Winzerausbildung hier in Silberberg abgeschlossen haben. Eine bronzene Tafel mit den Namen der Absolventen des Jahrgangs erinnert vor der Schule daran. Ihre Freundschaft hat bis heute Bestand. Sie reift wie die Weine in ihren Kellern.

Wein-Weltmeister
Aus der Klasse mit jungen Winzersöhnen wurden Winzer mit Klasse. Heute sind die Namen Frauwallner, Muster und Retter-Kneissl Qualität versprechende Fixsterne der heimischen Weinwelt und auch international bei Wein-Prämierungen präsent. Erst in diesem Frühjahr wurden Walter Frauwallner und Reinhard Muster jeweils zu Sauvignon-blanc-Weltmeistern gekürt. Der Betrieb Retter-Kneissl ist bis in den Wiener Raum bekannt für seinen Buschenschank – die Öffnungszeiten im März, Juli und November gelten weit über die Region hinaus als „Retter-Kneissl-Zeit“.

Hektoliteratur
Aber zurück zu den Anfängen, vor gut 25 Jahren. Wer hat von wem abgeschrieben in der Schule? „Ich! Von beiden! Sonst würde ich wohl heute noch da sitzen“, grinst Wolfgang Retter-Kneissl die beiden anderen an. Und wer musste am öftesten den steilen Weinberg hochlaufen? Wissendes, lächelndes Schweigen. „So wie ich das sehe“, sagt Retter-Kneissl, „sind die aufgeweckten Schüler von damals heute am prominentesten in den Weinregalen zu finden.“ Bergauf in der Schule, bergauf im Betrieb, sozusagen.
 

„Freude am Wein gefunden“
Die gemeinsame Schulzeit sei aber nicht nur charakterlich prägend gewesen, sondern auch fachlich. „Ich glaube nicht, dass man ohne Theorie, nur aus dem Bauch heraus, dort hinkommt, wo wir heute stehen“, meint Reinhard Muster, während er in einer der Klassen die Schulbücher inspiziert. Hektoliteratur quasi. Seine wichtigste Lektion in der Schule sei es gewesen, „die Freude am Wein zu finden. Und die Freude, ein spannendes Produkt herzustellen“, sagt Walter Frauwallner, als ihn plötzlich die Pausenglocke unterbricht: „Das mussten wir noch lernen: In der Schule gibt es fixe Pausenzeiten, am Weinberg und im Weinkeller nicht. Wichtige Arbeiten müssen fertig gemacht werden, erst dann ist Pause.“ Als prägend bezeichnet Retter-Kneissl überdies seine Praktikumszeit „beim Thaller Karl“ und Frauwallner seine Ausbildungszeit „beim Wolfgang Maitz, der mir den Kontakt zu vielen anderen Kollegen in der Südsteiermark eröffnet hat“.

Gewachsen sind die drei Winzerfreunde seit ihrer Schulzeit nicht nur an Statur und Charakter, sondern auch in der Betriebsgröße: „Als mich mein Papa am ersten Schultag nach Silberberg brachte, hatten wir 1,5 Hektar Wein und ich nicht einmal eine Ahnung, von welcher Sorte“, sagt Retter-Kneissl. Am Betrieb Frauwallner liefen zu diesem Zeitpunkt noch Schweine und Hühner herum, die Weinfläche betrug 2,5 Hektar. Heute ist bei beiden mit der Fokussierung auf den Weinbau die Rebfläche um das jeweils gut Zehnfache gewachsen. Reinhard Muster indes vinifiziert sogar 100 Hektar (davon 70 Hektar eigene Rebfläche), zusätzlich ist sein Winzer-Fachwissen am neuen Weinberg von Manager Sigi Wolf gefragt. Beide bespielen nun gemeinsam Wolfs neuen Weinkeller auf „Hoch Sernau“. Wobei Muster, als er uns von 5komma5sinne und seine beiden Schulfreunde durch die neuen, in den Berg gebauten Räumlichkeiten mit einem Fassungsvermögen von einer Million Liter Wein führt, betont: „Nicht dieser Weinkeller soll im Vordergrund stehen, sondern die Weine, die hier heranreifen.“ 

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Der Wein entsteht im Kopf
Musters genereller Zugang: „Einen großen Wein kannst du nicht nur mit Nase und Gaumen machen, sondern mit dem Kopf. Du musst ihn erdenken, schon wenn du im Weingarten stehst.“ Statt der branchenüblichen Konzentration auf Boden und Terroir will der 43-Jährige die klimatischen Bedingungen stärker in der Weinflasche einfangen. „Wir haben fantastische Rieden, aber das Klima bei uns, vor allem so nahe der Koralm, ist manchmal ruppig, ungestüm – das soll jeder auch spüren dürfen.“ 
Und wenn wir schon beim Klima sind: Wie unterscheiden sich eigentlich die drei Weinbauregionen der drei Winzerfreunde, wo doch der Betrieb Retter-Kneissl an der oststeirischen Römerweinstraße liegt, jener von Walter Frauwallner im Herzen des Vulkanlandes und jener von Reinhard Muster mitten in der Südsteiermark? „Wir spüren den Klimawandel“, sagt Frauwallner, „durch die Erwärmung ist die Vegetationsperiode deutlich zusammengerückt.“ Konkret bedeute dies vor allem Stress im Herbst. Habe sich das Erntefenster früher über rund vier Wochen erstreckt, hatte man zuletzt meist nicht mehr als zwei Wochen Zeit. Zwar müsse man nun aufpassen, dass ob der hohen Temperaturen und damit des höheren Alkoholgehalts nicht die steiermarktypische Frische der Weine verloren gehe. „Andererseits“, sagt Muster, „können wir uns jetzt auch mehr spielen. Früher konnten wir beim Welschriesling oft nicht einmal im November voll ausgereifte Trauben ernten.“

Gleich unterschiedlich
Gleich geblieben ist dafür das freundschaftliche Klima zwischen den dreien. Klar ist: Zur Erntezeit telefonieren die drei praktisch täglich gegen 21 Uhr miteinander. „Wenn die Pressen laufen und wir wissen, dass der Wein gut versorgt ist, wird einmal ein Rundruf gestartet, wie es bei den anderen läuft“, erzählt Wolfgang Retter-Kneissl, der auf ein Erfolgsgeheimnis einer jahrzehntelangen Freundschaft hinweist: „Wir haben komplett unterschiedliche Betriebe, aber das ist alles völlig egal. Es geht nicht um Geld. Es geht um Freundschaft.“ Oder wie die drei sagen würden: Man trinkt mit jedem Schluck Wein ein bisschen Freundschaft mit.

www.retter-kneissl.at 
www.muster-gamlitz.at I www.1196.at 
www.frauwallner.com