© Oliver Wolff / Text: Klaus Höfler
Fotos: Oliver Wolff / Text: Klaus Höfler
Wir werden 33 Millionen Euro in den Ausbau unseres Hauptsitzes in Gleisdorf investieren“, sagt Herbert Jerich und lacht: „Das fühlt sich ganz gut an.“ Es ist das bislang letzte Kapitel der rasanten Erfolgsgeschichte seines Logistikunternehmens Jerich International. Eines der ersten Kapitel des 1969 gegründeten Betriebs schrieb sein Vater. Er zog vor gut drei Jahrzehnten den exotischen Auftrag an Land, Maschinen aus Österreich nach Abu Dhabi und Dubai zu transportieren. Auf dem Landweg. Knapp fünftausend Kilometer. „Wir waren mit drei Lkw sieben Wochen unterwegs“, erinnerte sich der Seniorchef später. Schon damals schaffte es das steirische Familienunternehmen, sich als Alternative zwischen Luftfracht und Containerschifffahrt zu positionieren. Mittlerweile bedient man sämtliche Transportkanäle und betreibt in wesentlichen Güterhäfen sogar eigene Lager. Als prägendster Auftrag der Unternehmensgeschichte gilt aber jener der damaligen Leykam-Mürztaler. Der Papiererzeuger aus Gratkorn eröffnete in Italien einen Standort und suchte einen Betreiber für das neue Lager. Jerich sagte mit unternehmerischem Mut, aber fehlender Erfahrung zu. Und erfüllte die Erwartungen – so sehr, dass sowohl die niederländische KNP, die später die Leykam aufkaufte, als auch später die Sappi, die ihrerseits die KNP „schluckte“, immer wieder auf Jerich als Partner zurückgriffen.
2020 übernimmt der heute 46-Jährige schließlich die Geschäftsführung des Unternehmens von seinem Vater. Den „Beginner’s Mind“ der jungen Jahre hat er sich auch mit gewachsener Verantwortung erhalten. Es ist diese konstruktiv-ungeduldige Form der Unzufriedenheit mit dem Status quo, die Jerichs permanenten Hunger nach Verbesserung nährt. Das Unternehmen expandiert dank eines ganzheitlichen, hocheffizienten und damit für den Kunden kostensparenden Versorgungsmodells schnell. „Holistic Logistics“ tauft Jerich dieses Konzept, von dem mittlerweile Kunden wie Magna und Amazon profitieren. In 22 Ländern werden damit aktuell 33 Standorte mit 300.000 Quadratmeter Lagerkapazität betrieben und knapp über 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet (20 Prozent davon in den USA). In Europa sind rund 600 Lkw für Jerich International unterwegs, weltweit werden fast 900 Personen beschäftigt, 200 davon in der Zentrale in Gleisdorf. Mit dem Ausbau werden noch einmal 40 dazukommen. Sie egalisieren jedoch lediglich einen traurigen Personalabgang im selben Umfang, denn 40 ukrainische Fahrer hatten sich zu Beginn des Krieges abgemeldet, um an die Front zu gehen. „Wir haben seither nichts mehr von ihnen gehört“, sagt Jerich mit ernster Miene.
Die Frage war eigentlich eine andere, die Antwort aber eine freudige: „Ich bin seit Kurzem Vater eines Sohnes“, verrät Jerich Ende Oktober am Rande eines Eishockeymatches. Der Stolz ist sicht-, hör- und spürbar. Eiliger Nachsatz mit strahlenden Augen: „Er war heute eh schon im Stadion.“ Der Stammhalter ist da gerade einmal zwei Wochen alt. Nach zwei Töchtern wird es damit in den meisten Fahrzeugen von Jerichs privatem Fuhrpark eng. Die Autoauswahl folgte beim ehemaligen Formel 3-Piloten bisher nämlich eher der „Hubraum statt Kofferraum“-Prämisse. Aus der in Jugendtagen angepeilten Karriere in der Formel 1 wurde aber aus mehreren Gründen nichts: „Ich war einfach zu groß für das kleine Cockpit.“ Außerdem blieb ein Freund nach einem Unfall querschnittgelähmt. Ein Schock. Und dann war da noch die Perspektive für den gelernten Speditionskaufmann, unternehmerisch in die USA zu expandieren und in New York einen Standort aufzuziehen. Jerich wechselte mit 20 Jahren auf die andere Seite des Atlantiks. „Dort hat niemand auf mich gewartet“, erinnert er sich an den harten Beginn: Es wurden prägende 14 Jahre. „Ich habe mir dort die Hörner abgestoßen“, sagt er. „Er ist immer noch der Alte“, sagen Menschen, die ihn schon länger kennen – mit einer kleinen Einschränkung: „Die eigene Familie hat ihn etwas ruhiger gemacht.“
2016 erfolgte die Rückkehr in die Heimat und der Rückzug aus einem anderen sportlichen Engagement im Sport: Über sieben Jahre hatte Jerich als Playing Captain und großzügiger Sponsor den Gleisdorfer Tennisverein aus der Landesliga zu drei österreichischen Meistertiteln geführt. Eine Reglementänderung beendete das Engagement abrupt. Jerich wendet sich wieder dem Eishockey zu, wird – nachdem er bereits 2012 während einer streikbedingten Unterbrechung in der nordamerikanischen Liga ein Kurzgastspiel des NHL-Profis und gebürtigen Grazers Thomas Vanek bei den Graz 99ers finanziert hatte – 2016 auch Vizepräsident des Vereins. Acht Jahre später ist er dessen Präsident. „Er ist der richtige Mann, um das weiterzuführen“, ist Klubgründer und Langzeitpräsident Jochen Pildner-Steinburg überzeugt.
Herbert Jerich steht am Balkon des VIP-Klubs, lacht, klatscht und hört den Fans zu: „Für unsre Farben, die wir im Herzen tragen, für unsre Mannschaft werden wir alles geben …“, schallt es durch die Eishalle in Graz-Liebenau. „Unser Bunker! Unser Bunker!“, skandiert die mehrheitlich in schwarz-oranger Vereinscouleur gekleidete Anhängerschaft kurz später, unterlegt von rhythmischem Trommelgewummse. Die Stimmung passt, die Halle kocht. Er wolle „Herz und Emotionen neu entfachen“, nannte Jerich bei seinem Amtsantritt als Präsident der Graz 99ers ein Ziel. „Die sind ein Wahnsinn!“, schwärmt er ein halbes Jahr später mit Balkonblick auf die Fanreihen. Dort wird man sich dasselbe über den Neo-Präsidenten denken. Jerich hat den Bundesligaverein übernommen – und auf Erfolg getrimmt. „Ich bin ein siegesdurchdrungener Mensch. Ich hasse es mehr, zu verlieren, als ich es liebe, zu gewinnen“, differenziert er. Um sich selbst und dem Verein die Enttäuschung zu ersparen, hat Jerich tief in die Tasche gegriffen. Lässt sich Erfolg kaufen? „Ja, wenn man zehn NHL-Spieler oder die Besten der Liga zusammenkauft, dann gewinnt man diese Meisterschaft.“ Nur brauche man dafür so viel Geld, dass es nicht in Relation zum Erfolg stehe, sagt der Präsident des – dem Budget nach – viertgrößten Vereins der Liga: „Und vor allem wollen wir das so nicht. Wir wollen uns den Erfolg erarbeiten. Wenn wir erfolgreich sind, ist es das Ergebnis unseres Kampfgeists.“ Und eines funktionierenden Mannschaftsgefüges. „Das ist mir – wie im Unternehmen – sehr wichtig. Wir haben ja viele junge Spieler, die teilweise weit weg von zu Hause sind“, sagt Jerich.
Der Präsident als „Best Buddy“? „Das ist meine Art und Weise, wie ich den Klub führe: Ich gehe auch in die Kabine und sage, was mir gefallen hat und was nicht.“ Er fordert hundertprozentigen Einsatz, bringt ihn umgekehrt aber auch selbst. Bis auf zwei Auswärtspartien hat er in den ersten 15 Runden alle Spiele live gesehen. Dadurch wurde das Engagement beim Bundesligaverein bisher „zeitintensiver als gedacht.“ „Ich will mir, wenn wir über Spiele und Spieler reden, meine eigene Meinung bilden können.“ Das Ziel ist klar. „Von Jahr zu Jahr besser werden und eine Chance auf den Meistertitel haben.“ Das Budget sei okay, die Mannschaft jung und hungrig. „Jetzt heißt es einfach, performen und delivern.“ Die Fans liefern schon ab: „Für unsre Mannschaft werden wir alles geben, für unsern Bunker, der wird für immer beben“, singen sie, die neuerdings mit Gratiseintritt für Jugendliche, Studentenrabatten, Frühschoppen-Spiel und „Schnitzelsemmel & all you can drink“-Abos geködert werden. Was mehr schmerze – ein verlorenes Match im Sport oder ein entgangener Auftrag als Unternehmer? „Es ist das Gleiche: Es sind zwei Niederlagen.“ Und die hasst Jerich. „Die Ausrede, dass du im Eishockey eben ein paar Spiele verlierst, lass ich nicht gelten“, stellt er seinem Trainerteam die Rute ins Fenster: „Bei einer Niederlage will ich die Gründe wissen.“ Aber selbst wenn er sie kennt, bescheren sie ihm teilweise schlaflose Nächte. „Da habe ich aber schon dazugelernt und bin geduldiger geworden“, beruhigt er sich selbst. Am Ende dieses Spieltags wird er ohnehin gut schlafen. Die Mannschaft gewinnt deutlich. Jerich steht am Balkon, klatscht und strahlt. „Schalalalalala“, hört er die Fans singen.
Das Spiel ist aus. Der Bunker leert sich. Die Stille kehrt zurück. Jerich sitzt am Balkon und blickt schon in die nächste Saison. „Es wird nächstes Jahr eine Winterclassic-Serie geben“, kündigt er an. Wenn sich alle Genehmigungen durchsetzen lassen, dann will man im Dezember 2025 im Fußballstadion nebenan – der Heimstätte von Sturm und GAK – eine Matchserie spielen. Vorbild sind die USA. „Da sind 100.000 Leute im Stadion, da sehen viele den Puck zwar nicht, aber die machen Party.“ 14.000 könnten es in Graz werden, Party der Fans inklusive. Jerich hört sie schon singen: „Steht auf, wenn ihr Grazer seid ...“