Komme, was Wolle

Wolldemort, Einhorn Klara und Bär Albert: Herr Wolle – Berufssoldat, Motorradfahrer und Häkelprofi – hat sie erschaffen. Via Instagram und neuerdings auch via Podcast können Handarbeitsfans und alle, die es noch werden wollen, schmunzelnd mithäkeln.

Komme, was Wolle

Wolldemort, Einhorn Klara und Bär Albert: Herr Wolle – Berufssoldat, Motorradfahrer und Häkelprofi – hat sie erschaffen. Via Instagram und neuerdings auch via Podcast können Handarbeitsfans und alle, die es noch werden wollen, schmunzelnd mithäkeln.

Aller Anfang ist nicht so leicht, aber heute ist er Profi: Die Rede ist von Falke Garbus-Strauß. Oder vielmehr von Herrn Wolle. Eigentlich definierte sich der Grazer lange Zeit als handarbeitstechnisch eher unbegabt: „Ich konnte früher Gestricktes nicht von Gehäkeltem unterscheiden“, gibt er unumwunden zu. Doch dann kam alles anders: Eine langwierige Sportverletzung schränkte ihn in seinem Alltag derart ein, dass er nach Beschäftigung suchte. Zugleich wurde der Wunsch seiner kleinen Tochter nach einem selbst gemachten Kuscheltier immer lauter. Es kam, wie es kommen musste: Mehr aus Langeweile denn aus echtem Interesse griff der Sportfreak zur Nadel, sah sich unterschiedliche YouTube-Tutorials an – und kam auch Schritt für Schritt voran. Im Schnelldurchlauf hört sich das freilich einfacher an, als es tatsächlich war, denn natürlich klappte nicht alles sofort. Die Frustration des Anfängers kennt auch der etablierte Häkelprofi: „Zu Beginn sind die Nadeln durchaus durch die Wohnung geflogen“, schmunzelt er heute. Andererseits spornten ihn missglückte Ergebnisse weiter an und der Ehrgeiz war geweckt: „Ich wollte es einfach unbedingt schaffen.“ 
Der Maschenring etwa ist so ein Basic für Häkelneulinge. Als die grundlegende Technik funktionierte, stellten sich bald erste Erfolge ein und die Motivation bekam einen neuen Schub. Der Rest ist Geschichte. Zur Entspannung häkelt Herr Wolle heute praktisch täglich, wenn er nicht gerade als Berufssoldat im Einsatz ist. Diesen Brotjob hatte Falke Garbus-Strauß bereits nach dem Einrücken beim Bundesheer in Erwägung gezogen. Im Auslandseinsatz im Kosovo war die Entscheidung, den Ausbildungsweg zum Unteroffizier einzuschlagen, dann definitiv gefallen. Wie haben denn die Kameraden auf das neue Hobby reagiert? „Eigentlich durchwegs positiv, viele haben ja selbst Kinder. Arbeitskollegen waren sogar in einem meiner Häkelkurse“, erzählt er. Und: „Bis heute gab es keinen dummen Kommentar.“
 

Amigurumi – eine japanische Kunst

Die Bandbreite an Häkelwerken ist mit den Jahren deutlich gewachsen. Meist wird der Feierabend für entsprechende Projekte genutzt, dabei ist bereits viel Tierisches entstanden: Giraffe Ida, Esel Leopold, Löwe Richard und Wildschwein Horst gehören dazu. Aber auch von seiner Tochter kommen immer wieder einmal Auftragswünsche, Einhorn Klara zeugt davon. Dabei setzt Herr Wolle auf Amigurumi, eine japanische Strick- und Häkelkunst speziell für Tierfiguren. Gefertigt hat der zweifache Papa darüber hinaus bereits Zierkissen und Heißluftballons, aber auch Figuren aus der magischen Welt Harry Potters wie den legendären dunklen Lord Voldemort, der in Herrn Wolles Universum freilich Wolldemort heißt. Gewissermaßen sein „Signature-Werk“ ist allerdings Bär Albert, den es in vielerlei Varianten gibt – unter anderem sogar als MIL-Albert im Camouflage-Look. Mindestens fünf Stunden Arbeit braucht es für ihn – und er ist sogar als Tattoo verewigt. An seinem Wissen – und an seinem ­Humor – lässt der Experte andere auch auf Social Media teilhaben. Mit dem launigen Auftritt auf Instagram wuchs die Fangemeinde Tag für Tag, mittlerweile kommt @herr.wolle bereits auf mehr als 67.000 Followerinnen und Follower. In einem weiblich dominierten Umfeld sieht sich der 37-Jährige zwar als „Einhorn der Szene“, betont aber, dass „immer mehr Männer sich dem Häkeln oder Stricken widmen“. Anfänger können relativ leicht in die Materie einsteigen, heißt es: „Es braucht nur eine passende Häkelnadel und Garn in verschiedenen Stärken.“ Bei Figuren kommt das Füllmaterial hinzu. Bei der Wahl der Wolle empfiehlt er, lieber ein paar Euro mehr für Qualität auszugeben, „als sich später zu ärgern“. Dabei gilt: Je höher der Baumwoll- und je niedriger der Kunststoffanteil dabei sind, desto besser. Die Auswahl an Möglichkeiten für den „Rohstoff“ ist umfassend, sie reicht von Merino- bis zur Alpakawolle. Das Plädoyer gilt dabei dem regionalen Einkauf. Wie bei jedem Hobby wird ein ungeschriebenes Gesetz wirksam: Man kann nie genug von der Grundausstattung haben, beim Häkeln ist das eben Wolle. Das persönliche Archiv von Herrn Wolle ist bereits auf stolze 3,5 mal 2 Meter Regallänge gewachsen, ein Ende ist nicht in Sicht. Anleitungen für einzelne Häkelprojekte schreibt er längst selbst – und vertreibt sie auch. Die handgefertigten Häkelnadeln stammen von einem deutschen Einmannbetrieb und ähneln Zauberstäben, „die handelsüblichen Nadeln sind mir irgendwann zu eintönig geworden“. Ab und an finden Workshops für Fans statt.
 

Fanbase

Wenn Herr Wolle zur Nadel greift, frönt der Sportfreak und passionierte Motorradfahrer gerne einer weiteren Leidenschaft, dem Hören von Podcasts – vorzugsweise über Tolkiens Epos „Herr der Ringe“. Seit heuer ist der Wollfluencer aber selbst unter die Podcaster gegangen, gemeinsam mit seinem Freund und Arbeitskollegen Tibor, dessen Häkelbegeisterung aber erst noch geweckt werden will. Bei den nördlichen Nachbarn haben sich die beiden bereits eine Fanbase geschaffen: 80 Prozent der Hörer stammen derzeit aus Deutschland. Bei „Herr Wolle und der andere“ wird über vielerlei Themen diskutiert –  Fragen der Häkel-Community werden genauso beantwortet, wie es Häkel-Know-how und Real Talk zum Weltgeschehen gibt – dabei nehmen sich die beiden im Woll.Cast kein Blatt vor den Mund: „Wir haben brav begonnen, aber manchmal eskaliert es dann ein bisschen.“ Man erfährt aber auch, dass das Sockenhäkeln für Erwachsene keine ganz so gute Idee ist, weil im Vergleich zum Stricken die Maschen anders beschaffen sind und sich gehäkelte Socken Herrn Wolles Erfahrung nach nicht besonders angenehm anfühlen: „Möglich ist es schon, aber passend eher nur als Fußwärmer, wenn man auf der Couch sitzt.“ Magie ist mit im Podcast-Boot: Die Harry-Potter-Reihe wird gemeinsam gelesen und nachbesprochen – da wird auch Spezialwissen wie Quidditch-Fouls von Schnatzeln bis Zockeln debattiert. Und manchmal wird es fast schon ein wenig philosophisch: Ist die Fähigkeit, aus den Gedanken heraus zu häkeln, besser als Wolle aus dem Nichts herbeizurufen? Das ist jetzt die Frage …