© René Strasser - Text: Ulrich Dunst
© René Strasser - Text: Ulrich Dunst
Fotos: René Strasser - Text: Ulrich Dunst
Und plötzlich ergibt so vieles Sinn! Es ist zwar historisch nicht überliefert, wie viele Tausend Male die Schladminger "Coburgstraße" von Urlaubern und Skifahrern ins Auto-Navi eingegeben wurde (weil hier etwa die Talstation der weltberühmten Schladminger Planai, viele Hotels und das Zentrum der Stadt liegen). Sehr wohl ist aber historisch belegt, dass Schladming ein wahrlich köngliches Pflaster ist.
Die Könige der Planai - sie werden jedes Jahr beim berühmten "Nightrace" gekürt. Die Könige des Pop und Rock, von Robbie Williams bis zu Bryan Adams - sie heizen den Massen alljährlich beim Winter-Opening ein. Doch auch schon vor mehr als 100 Jahren tummelten sich hier die Könige - und zwar echte Könige!
Was Bad Ischl für die Habsburger, war Schladming für die Coburger: ein Tummelplatz des europäischen Hochadels! Schladmings königliche Wurzeln reichen durch die Coburger-Dynastie bis zum Kaiserreich Brasilien und sogar das englische Köngishaus (das ja eigentlich den Namen Saxe-Coburg and Gotha tragen würde, hätte man sich infolge des 1. Weltkriegs wegen des deutsch klingenden Namens nicht in Haus Windsor umbenannt, aber das ist eine andere Geschichte...).
Jedenfalls reist vor knapp 150 Jahren Prinz Ludwig August von Sachsen-Coburg rastlos zwischen Europa und seiner früheren Heimat bei Rio de Janeiro hin und her - weil er um seine verstorbe Frau Leopoldine (Tochtes des Königs von Brasilien) trauert. Während die eine große Liebe verloren ist, erwacht bei ihm eine neue Liebe - jene zu den Bergen und satten Jagdgründen rund um Schladming. 1884 lässt er sich hier ein Jagd- und Residenzschloss vom Coburg'schen Hofarchitekten Rothbart bauen.
Ja, und die Schönheiten des oberen Ennstals sprechen sich auch in den royalen Kreisen schnell herum. Und so wird Schladming um die Jahrhundertwende zum beliebten Jagd- und Reiseziel des eurpäischen Hochadels - zumal Prinz Ludwig August nicht ganz unzufällig auch Enkel des französischen Königs ist. Jedenfalls lassen sich etwa Prinz Philipp und seine Frau Louise von Belgien genauso hier blicken wie Fürst Ferdinand von Bulgarien oder Ludwig Augusts Mutter, die stets geschickt heiratsvermittelnde Clementine von d'Orleans.
"Man muss bedenken, dass diese Damen- und Herrschaften natürlich nicht alleine gereist sind, sondern mitsamt ihrer höfischen Entourage. Somit haben die Coburger in und um Schladming einen entscheidenden Anteil an der Entstehung des internationalen Fremdenverkehrs, wie es damals noch geheißen hat", erklärt gewohnt wortgewandt und kurzweilig der Historiker Günter Fuhrmann, seines Zeichens der Coburger-Experte schlechthin.
Wir haben den Weinviertler bei einer Führung durch das Coburg'sche Jagdschloss, dem heutigen Rathaus der Schladminger, begleitet. Und wer jetzt vielleicht denkt, "Geschichte, wozu brauche ich das?", der hat noch keine Tour mit dem Coburg-Experten Fuhrmann mitgemacht! Nur hier erfahren wir, wer unter den Aristokraten zwar pleite war, aber schöne Kinder hatte und wer für wen in der Heiratsvermittlung die Ehefrauen getauscht hat, wer eine "gute Partie mit 250.000 Hektar und hochgerechnet 8 Milliarden Euro" geheiratet hat und über welche royalen Verästelungen das alles mit dem heutigen englischen König Charles III. zusammenhängt. Geschichte zum Angreifen quasi.
Die Führungen und die Arbeit Furhmanns in Schladming stoßen nunmehr auf enormes Interesse und gehen auf eine Initiative des heutigen Bürgermeisters Hermann Trinker zurück. Er will Leben und Wirken der Coburger in und für Schladming künftig einem noch größeren Publikum zugänglich machen.
Wir wollen das Leben und Wirken der Coburger und ihren Einfluss auf Schladming einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.
Denn im Jahre 1940 kauft die Stadt Schladming das Jagdschloss und macht es zu seinem Rathaus, wo sich bis heute die Amtsräume und das Büro des Bürgermeisters befinden. Das Turmzimmer, das von außen schon von weitem am ikonischen (und ganz und gar nicht regionalen) Baustil des Rathausturms zu sehen ist, beherbergt noch immer eine überaus abwechslungsreiche Bibliothek mit Büchern in vielen Sprachen. Doch der Bürgermeister und seine Standesbeamtin öffnen das Turmzimmer mittlerweile auch für Hochzeiten. "Das ist mittlerweile so beliebt, dass wir beschlossen haben, eigentlich mehr vom Rathaus und seiner Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen", erklärt Trinker, der in diesem Bereich noch viel vor hat.
Mit der Hochzeits-Location schließt sich jedenfalls ein Kreis in diesem ehrwürdigen Gebäude. Wir erinnern uns an den Schöpfer des Jagdschlosses, Prinz Ludwig August. Dessen in Brasilien aufgewachsener Sohn August Leopold heiratet 1894 Karolina Habsburg-Toskana - und die Hochzeitsreise führt... erraten... nach Schladming. (Übrigens: Das Brautkleid ist heute noch in Schladming zu sehen - und zwar in der Katholischen Pfarrkirche, wo es eine Marienstatue kleidet.) Weil Brasilien aber inzwischen zu einer Republik wird, verlegen die beiden ihren Hauptwohnsitz nach Schladming und der berühmte Coburg-Prinz wird zum Paten eines neuen Wirtschaftszweigs in der Region: dem Tourismus.
Und hier das gesamte Interview mit dem Schladminger Bürgermeister Hermann Trinker: