Steirerkrimi-Autorin: "Ich morde nur in der Steiermark"

Sie ist die erfolgreichste Krimiautorin des Landes, ihre Steirerkrimis sind Bestseller, die Verfilmungen schauen Millionen Zuseher. Doch wie fühlt sie sich als Steirerin mit Wiener Herkunft? Was mag sie an ihren Protagonisten (nicht) – und lässt sie sich beim Schreiben selbst noch von ihren Tätern überraschen? Das alles verriet uns Claudia Rossbacher, die wir in ihrer neuen steirischen Heimat besuchen durften.

Steirerkrimi-Autorin: "Ich morde nur in der Steiermark"

Sie ist die erfolgreichste Krimiautorin des Landes, ihre Steirerkrimis sind Bestseller, die Verfilmungen schauen Millionen Zuseher. Doch wie fühlt sie sich als Steirerin mit Wiener Herkunft? Was mag sie an ihren Protagonisten (nicht) – und lässt sie sich beim Schreiben selbst noch von ihren Tätern überraschen? Das alles verriet uns Claudia Rossbacher, die wir in ihrer neuen steirischen Heimat besuchen durften.

Du bist mit „Steirerzorn“, deinem 14. Steirerkrimi-Fall, gerade national wie international auf Lesereise unterwegs. Traust du dich noch heim in die Steiermark, wo doch hier so viele Morde passieren?

Selbstverständlich! Die Steirer freuen sich ja,  dass ich hier morde und nirgendwo anders. Ich glaube, das wäre Landesverrat, wenn ich jetzt anfange, irgendwo anders zu morden. Das traue ich mich gar nicht. Dann kriege ich wirklich Einreiseverbot in die Steiermark.

Wenn du unterwegs bist, hörst du dann Sager wie „Um Gottes willen, jetzt mordet sie auch hier“ oder „Juhu, endlich werden wir ein Krimi-Tatort“?

Es ist bei Lesungen öfter so in anderen Bundesländern, dass die Leser sagen: Warum schreiben Sie nicht einmal einen Oberösterreich-Krimi oder einen Kärnten-Krimi oder was auch immer? Ich sage dann: Tut mir leid, das geht nicht. Ich tu euch nix, ich morde nur in der Steiermark.

Wenn du unterwegs bist, zuletzt auf der Frankfurter Buchmesse: Fährst du lieber fort oder kommst du lieber heim ...?

... heimkommen.

Das kam jetzt schnell.

Das Reisen ist ein bisschen anstrengend mit der Zeit.

Wie lange nennst du als vormalige Langzeit-Wienerin die Steiermark schon „Heimat“?

Eigentlich seit ich da bin. Am Anfang war es vielleicht ein bisschen Urlaubsfeeling. Wir sind zunächst zum Reinischkogel gezogen, bevor wir hierhergekommen sind. Und es war durchaus schwierig zu Beginn, mir klarzumachen: Ich bin jetzt nicht wieder auf Urlaub oder Recherche in der Steiermark, ich sollte jetzt hier arbeiten.

Hier an diesem Schreibtisch in Kainberg bei Kumberg entstehen die Steirerkrimis.

Du bist ja wie dein Steirerkrimi-Chefinspektor Sascha Bergmann der Morde wegen in die Steiermark gezogen. Was genau hat dich auf die Steiermark als Tatort und späteren Wohnort gebracht?

Mittlerweile hat mir das auch der Hary Prinz, der in den Verfilmungen den Sascha Bergmann spielt, nachgemacht. Begonnen hat das alles mit der Idee in meinem Kopf zu „Steirerblut“. Eine Frau läuft durch den Wald, versucht, ihrem Mörder zu entkommen. Was ihr nicht gelingt, sonst gäbe es ja keine Steirerkrimis. Ich habe vorher einen Karibik- und einen Mallorca-Thriller geschrieben. Aber diese Idee hier war in einem heimischen Wald. Und als Wienerin mit emotionaler Nähe zur Steiermark bin ich dann eben auf das waldreichste Bundesland gekommen.

Was kommt zuerst bei der Mordplanung: Region? Mord? Schauplatz?

Ursprünglich war es die Region. Ich habe mich ja bereits einmal durch alle Bezirke gemordet. Jetzt bin ich wieder ins Schilcherland zurückgekehrt. Da war der Schauplatz entscheidend, weil ich zu diesem verfallenen Haus, diesem Lost Place, eine Beziehung habe. Ich war da als Kind im Ferienlager und habe später in der Nähe gewohnt. So kam die Idee zu „Steirerzorn“, dass da ein Fotograf hineingeht und eine Leiche findet.

Lost Places, Femizide: Du lässt häufig aktuelle Geschichten aus den Nachrichten einfließen, wie den gescheiterten Trafikraub nahe Graz, wo die Angestellte geblufft hat, indem sie zum Täter meinte, sie könne um 18:02 Uhr die Registrierkasse nicht mehr öffnen ...

Es gibt Dinge, die sind so lustig, die können nur in der Steiermark passieren. Wir sind damals von Kumberg gerade selbst Richtung Graz gefahren, als uns jede Menge Funkstreifen mit Blaulicht entgegengekommen sind. Das musste in den nächsten Krimi. Es hat zu gut gepasst.

Und jeder, der die Geschichte aus der Zeitung kennt, wird sich wiederfinden. Ein Geheimnis des Erfolgs?

Wichtig ist, mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend zu gehen. Die Themen müssen zur Region passen. Das ist das Wichtigste. Dann ist es authentisch. Weil es einen Unterschied macht, ob ich in der Oststeiermark, im Vulkanland, in Schladming oder in Graz lebe. Da hast du andere Lebenswelten. Themen auf die Region zuschneiden, das macht, glaube ich, sonst keiner so akribisch wie ich. Weil die meisten anderen Krimiautoren ja an einem Ort bleiben ... bis der Ort dann ausgestorben ist (lacht).

Wie findest du neue Schauplätze? Sagst du: „Schatz, machen wir einen Ausflug, ich brauche einen Tatort!“?

Ich komme durch die Lesungen sehr viel herum in der Steiermark und kenne wohl mehr Plätze als viele Einheimische. Der Platz muss mich selbst „catchen“, weil ich mich monatelang danach damit beschäftigen muss.

Weißt du zu Beginn eines Krimis, wer der Mörder ist, oder lässt du dich von dir selbst überraschen?

Ich habe eine grobe Ahnung. Ich weiß, wer die Leiche ist. Dann tauchen die Figuren auf. Damit habe ich jetzt gerade wieder angefangen, mein Opfer ist tot. Und geborgen. Jetzt muss ich überlegen, welche Menschen gibt es in der Umgebung? Welche Rollen spielen sie? Es ist mir schon passiert, dass ich 50 Seiten vor Schluss sage: Oh Gott, das kann jetzt nicht der Täter sein, das ist viel zu aufgelegt. Dann muss ich das ändern. Das hat blöderweise Konsequenzen, weil dann muss ich wieder zurückgehen und vorne viel herumändern. Ein Kollege sagt immer, es gibt bei den Krimiautoren die Gärtner und die Architekten. Und ja, ich bin eher der Gärtner.

Also erst einmal aussäen und schauen, was dann heranwächst?

Es soll alles Hand und Fuß haben und logisch sein. Und nicht irgendwas aus dem Hut gezaubert werden. Das hasse ich bei Krimis. Wenn bloß Kommissar Zufall zuschlägt. Ich bin sehr akribisch, was Gerichtsmedizin und Polizeiarbeit anbelangt. Das ist wohl auch ein Grund, warum ich viele Fans unter den Polizisten habe.

Laufen Schreibtage immer nach denselben Routinen ab?

Ich muss natürlich schreiben und kann nicht einfach warten, bis mich die Muse küsst. Das wird sich nicht ausgehen, denn ich habe einen Abgabetermin und weiß, wie viele Seiten ich am Tag schreiben muss, damit sich das ausgeht. Aber ja, man prokrastiniert immer ein bisschen vor sich hin.

Nach dem Motto: Ich habe so lange ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem habe?

Natürlich wäre es viel entspannter, wenn man generell früher anfangen würde zu schreiben. Aber irgendwann weißt du genau: Okay, jetzt muss es sein, sonst geht sich das alles nicht mehr aus. Und es geht dann.

Du baust in allen Steirerkrimis bekannte Ausflugs- und Gastroziele mit ein. Hat das auch einen messbaren touristischen Effekt?

Das lässt sich schwer messen. Aber ich bekomme Feedback, dass immer wieder Leute auf den Spuren der Steirerkrimis die Region erkunden. Und ich erhalte immer wieder Anfragen: „Wollen Sie nicht zu uns kommen? Ich hätte da eine Geschichte.“ Aber ich will keine wahren Geschichten schreiben, bei mir ist das immer Fiktion.

Auch der aktuelle Fall „Steirerzorn“, der vom Missbrauch junger Mädchen in einem Heim handelt, ist Fiktion?

Ja, es gab Heimskandale, aber nicht am Schauplatz von „Steirerzorn“. Ich habe etwas gesucht, das richtig zornig macht. Und hatte wirklich Angst, dass mir das Buch um die Ohren fliegt. Tatsächlich bekam ich ganz viel positives Feedback, dass ich diesen Opfern von damals eine Stimme gebe. Ich habe das Tagebuch der 13-Jährigen in einem Zug durchgeschrieben. Vorher habe ich mein eigenes Tagebuch ausgegraben, weil ich wissen wollte, wie eine 13-Jährige schreibt.

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Du bist bei Touristikern hochgeschätzt, bist „Herzbotschafterin“ der Steiermark. Melden sich Politiker, wenn in den Krimis Kritik an der Tourismus-Reform geübt wird?

Bis jetzt noch nicht (lacht). Aber dass die Weststeiermark von der touristischen Landkarte radiert wurde, ist in der Region ein Riesenthema. Ich äußere die Kritik ja nicht, das sagt meine Figur. Aber ich gebe wieder, wie es in der Region empfunden wird.

Wie geht es dir mit den Steirerkrimi-Verfilmungen, die auch in Deutschland über die ARD ein Millionenpublikum erreichen? Bist du vor der Premiere noch nervös?

Nein, gar nicht. Außer beim ersten, bei „Steirerblut“. Der ist bei der Diagonale gelaufen, das war aufregend. Damals war der Filmplot dem Buch noch relativ ähnlich. Das hat sich ja inzwischen erledigt ...

... weil die Ermittlerin Sandra Mohr im Gegensatz zu den Filmen in den Büchern weiterlebt?

Das war natürlich schon heftig, dass meine Protagonistin da rausgeschossen wurde. Aber Wolfgang (Anm.: Regisseur und Drehbuchautor Wolfgang Murnberger) und Miriam Stein (Anm.: Darstellerin der Sandra Mohr) wollten das so. Ich habe wirklich ganz kurz überlegt, ob ich das abdrehen soll, aber dann gäbe es keine „Steirerkrimis“ mehr im Fernsehen. Was schade wäre. Wir profitieren ja voneinander. Ich bin keine von den Autoren, die sagen: Oh Gott, was haben die aus meinem Buch gemacht?

Also nicht so wie Autorin Rita Falk, die mittlerweile öffentlich die Verfilmungen ihrer Eberhofer-Krimis kritisiert?

Dann darf ich als Autor die Rechte nicht hergeben. Ich vergebe die Filmrechte ohnehin immer nur von Buch zu Buch. Man darf sowieso kein Buch in einem Film suchen, das sind völlig verschiedene Medien.

Sind dir deine Protagonisten ans Herz gewachsen?

Ich werde oft gefragt, ob ich so bin wie Sandra Mohr. Nein! Die Frau nervt mich manchmal, so humorlos, wie sie sich gibt, die geht ja zum Lachen in den Keller. Den Humor, den habe ich schon eher vom Sascha Bergmann, obwohl der politisch nicht korrekt ist. Ich bin in den Verfilmungen immer wieder erstaunt, wie viel da noch durchgeht, auch im deutschen Fernsehen. Er darf sogar rauchen. Ab und zu.

Du schreibst am 15. Steirerkrimi. Was dürfen wir schon wissen?

Er wird in Graz spielen. Ich habe Graz als Tatort bis jetzt vermieden. Die Leiche gibt es schon, aber sonst noch nicht viel mehr. Aber die Mur wird eine große Rolle spielen.

 

www.steirerkrimis.at