© Rene Strasser - Text: Ulrich Dunst
© Rene Strasser - Text: Ulrich Dunst
Fotos: Rene Strasser - Text: Ulrich Dunst
Auf eine ganz besondere, ja geradezu weinzigartige Schatzsuche hat sich unser 5komma5sinne-Team dieser Tage bei Schloss Kapfenstein begeben. Bei ihrer Raritätenverkostung kredenzten die zwölf STK-Weingüter (STK steht für Steirische Terroir- und Klassikweingüter) im Langen Keller des Weinguts Winkler-Hermaden große Weine, die Reife beweisen. Oder besser gesagt: Es war ein großer Tag für Freunde großer steirischer Weine. Eine Reife-Prüfung mit Genuss.
Die beliebte Veranstaltung beweist einmal mehr das Reifepotenzial der Weine der zwölf STK-Weingüter. Jeder Winzer präsentierte zwei Weine in vier verschiedenen Jahrgängen. Prädikat: kostbar!
Ebenfalls vertreten waren vier Top-Weingüter aus dem benachbarten Slowenien. Auch die optischen Sinne wurden im Langen Keller mit Bildern der Künstlerin Marion Rauter verwöhnt.
Beginnen wir mit einer genussvollen Reise in Bildern! (Für mehr Bilder nach rechts swipen)
"Dieser Tag ist ideal für alle, die gern reifen Wein genießen", gibt Gastgeber Christoph Winkler-Hermaden das Motto der STK-Raritätenverkostung aus. Die Veranstaltung richtet sich an Weingenießer ebenso wie an Gastronomen, international tätige Wiederverkäufer und eben treues Stammpublikum der steirischen STK-Weingüter.
In einer Art "Stationenlauf des Genusses" waren Winzer angehalten, auch die Jahrgangstiefe ihrer besten Riedenweine näherzubringen. Denn im Zuge der Verkostung und der Winzergespräche wurde schnell klar: Jeder Wein erzählt eine einzigartige Geschichte seiner Herkunft - aber diese Geschichte wird je nach Witterungsbedingungen mit jedem Jahrgang neu geschrieben.
Christoph Winkler-Hermaden ortet jedenfalls ein steigendes Reife-Potenzial auch bei den Genießern des steirischen Weins. "Diese Verkostung machen wir jetzt zum 15. Mal und von Jahr zu Jahr ist das Interesse gestiegen. Wir haben ein buntes Publikum aus allen Altersschichten, von jungen Eltern bis zu den Großeltern, die jetzt endlich Zeit haben für ihre Liebe zu gereiftem Wein."
Dass viele der STK-Weingüter in den vergangenen Jahren auf biologische Wirtschaftsweise (Familie Winkler-Hermaden arbeitet bio-regenerativ) umgestellt haben, mache eine Reise durch die Jahrgangstiefe besonders spannend: "Gerade in so einer Vertikalverkostung, wo mit den jüngeren Jahrgängen immer mehr Bio wird, merkt man, dass eine gewisse Feinheit mitschwingt."
Verkostet wurden:
Wein und Emotionen, das ist ein Thema, beim dem auch Johannes Gross vom Weingut Gross gern emotional wird. Wobei er einschränkt: "Emotionen hat nur der Mensch. Einem Wein ist das egal, ob man ihn mag. Aber ein guter Wein berührt mich, er nimmt mich mit auf eine Reise, er kann mich in ein Gefühl versetzen, der mich aus dem Alltag heraus holt."
Angesprochen auf die Frage, ob es ihm durch die Klimaerwärmung nun leichter fällt, reifere Weine herzustellen, antwortet Johannes Gross gewohnt wortgewandt: "Mit der Erwärmung allein hat das wenig zu tun. Was ich aber sicher sagen kann, dass wir dadurch eine stabilere Qualität schaffen. Da hat sich unser Großvater noch schwerer getan. Aber herausfordernder wird es, eine stabile Quantität zu bekommen.
Verkostet wurden:
Mit Andreas und Alex Sattler führen am Sattlerhof die auf höchste Qualität setzende Winzertradition von Vater Willi Sattler fort. Und für die Rariäten-Präsentation holte Alex Sattler u.a. einen Burgunder "Fassreserve" Jahrgang 2017 der Ried Pfarrweingarten aus der Schatzkammer. "Wir haben Jahrgänge aus zwei verschiedenen Generationen mitgenommen. Das heißt, die hat zum Teil unser Papa produziert und jüngeren mein Bruder und ich. Und da sieht man schön die Entwicklung, die unser Betrieb genommen hat."
Wie hat sich diese Winzerhandschrift verändert? "Ich glaube, dass die Weine jetzt noch reduzierter werden, ein bisschen ruhiger, aber in der Tiefe noch dazugewinnen." Natürlich sei dieser Vergleich "ein bisschen unfair, weil die Rebstöcke ja immer älter werden. Aber der Stil vom Papa hat uns immer schon sehr gut gefallen."
Auf den Faktor Zeit angesprochen, meint Alex Sattler: "Alles dreht sich immer schneller, wir werden zugedröhnt vom Wandel. Und da ist es für uns selbst beruhigend, dass wir uns die Zeit nehmen können und wollen, um die Weine später auf den Markt zu bringen." Das heißt, nicht auf jeden Trend aufspringen, sondern "einer Idee zu folgen, zu verfeinern, und das braucht Zeit."
Verkostet wurden:
Wo Wohlmut draufsteht, ist meist Schiefer-Boden darunter. "Schiefer gibt uns alles", sagt Gerhard Wohlmuth gern, und sieht in der Bodenbeschaffenheit seiner Rieden in Kitzeck buchstäblich den idealen Nährboden für exquisiten Riesling. "Deshalb habe ich besondere Riesling-Jahrgänge der Ried Edelschuh mitgebracht, die die historische Bedeutung des Rieslings für uns darstellt. Riesling war von 200 Jahren sogar die wichtiste Rebsorte bei uns im Sausal."
Im Gegensatz zum Donauraum reife der Riesling in Kitzeck-Sausal in hohen Lagen, "wo die Trauben nie mit Nebel in Kontakt kommen. Das sind kerngesunde Trauben, die wir am Höhepunkt der Reife ernten." Besondere Freude bereite ihm der Jahrgang 2015. Warum? "Das war auch das Geburtsjahr eines unserer Kinder. Deshalb hat das für mich immer eine emotionale Komponente. Das ist das Spannende am Wein, dass er nicht nur die Herkunft widerspiegelt, sondern auch das Jahr selbst. Und wenn man einen Jahrgang trinkt, wo etwas Besonderes passiert ist, ist das Emotion."
Verkostet wurden:
Über seine Anfänge und seine Jahrzehnte lange Arbeit erzählte Fritz Tinnacher vom Weingut Lackner Tinnacher aus Gamlitz. "Wir haben die Rebsorte Sauvignon immer gehabt am Betrieb. Aber die Konsumenten und die Weinwelt haben in den 1970er und 1980er Jahren bei uns eher auf den Morillon geschaut." Dennoch freue ihn der weltweite Siegeszug des steirischen Sauvignon blanc. "Da ist so viel geschehen, auch im Weinberg, im Zusammenspiel zwischen Terroir und Weinbauer hat jeder Betrieb seine eigene Handschrift entwickelt. Dadurch die Sorte auch so interessant geworden."
Fritz Tinnacher erinnert sich an klimatisch "sehr schwierige Jahre in den 1980er Jahren". Auf ewig in Erinnerung bleiben wird ihm aber der Jahrgang 1983: "Das war für uns ein hervorragender Jahrgang mit sehr guter Reife, wir konnten alle Qualitäten ernten bis hin zu Beerenauslesen." Die älteste Flasche in seinem Archiv? Ein Grauburgunder Jahrgang 1963. "Die Sorte ist prädestiniert für unseren Betrieb."
Verkostet wurden:
Zeit ist eines der wichtigsten Werkzeuge für Winzer - das ist die Überzeugung von STK-Winzer Wolfgang Maitz aus Ratsch an der Weinstraße (Gemeinde Ehrenhausen). Sein Vater habe in den 1970er-Jahren schon Weine weggelegt, "denn es war bei uns immer schon Thema, reifen Wein zu trinken." Umso mehr freut den Wirten und STK-Winzer nun aber das gestiegene allgemeine Interesse an reifem Wein.
Mit einer Überraschung wartete Maitz bei der Raritätenverkostung auf: Er brachte einen Welschriesling der Ried Sulz ab dem Jahrgang 2015 mit. "Es ist für uns schön zu sehen, dass auch unsere autochtone Rebsorte auf tollem Kalk-Mergel-Terroir super reifen kann." Während die jüngeren Gebietsweine bei ihm im Stahltank ausgebaut werden, "gehen wir bei der Ried Sulz ins große Holz. Wir verlieren die Primäraromen und dann geht es nur noch ums Terroir. Der Wein reift unglaublich würzig, salzig, mineralisch. Der Wein wird mit dem Alter immer fokussierter."
Verkostet wurden:
"Dieser Jahrgang singt gerade", sagt Christoph Neumeister mit einem freudigen Ausdruck der Begeisterung, als er uns einen Sauvignon blanc Ried Moarfeitl Jahrgang 2017 ins Glas schenkt. Ein Wein der zur Großen STK Riede zählt und am Gaumen einen wahren Vergnügungspark der Sinne aufbaut. Neumeister hat aus Straden aber auch einen 20 Jahre jungen Morillion Ried Moarfeitl mitgebracht.
"Diese Mischung aus jungen und reifen Jahrgängen, und solchen, die gerade singen", mache diese Veranstaltung so spannend, sagt Neumeister, der zur Verortung jeweils immer einen aktuellen Jahrgang herzeigt. Welche Jahrgänge singen? "Alles ab 2017, 2019 beginnt jetzt in ein tolles Trinkfenster zu kommen."
Es sei für ihn nun einfacher, reifere Weine zu schaffen, als für frühere Generationen: "Bis in die 1990er Jahre hatten wir zwei bis drei gute Jahrgänge pro Dekade. Jetzt sind es acht bis neun."
Verkostet wurden:
Rahpael Wibmer vom Weingut Hannes Sabathi hat im Langen Keller unter dem Schloss Kapfenstein einen Chardonnay Ried Jägerberg und Sauvignon blanc Ried Kranachberg jeweils mit den Jahrgängen 2015 bis 2018 gezeigt. Und er hat schöne, blumige Vergleiche zwischen Mensch und Wein, was Reife und Zeit betrifft: "Zeit ist mit Sicherheit das wichtigste Werkzeug eines Winzers. Auch wir Menschen machen in der Jugend vielleicht viel Blödsinn, werden mit dem Alter aber meist ruhiger."
Die Ried Kranachberg bringe am Betrieb Hannes Sabathi seit Jahrzehnten großartige Weine, erzählt Wibmer: "Hier ist alles Gute passiert am Betrieb, aber alles Herausfordernde auch. Jedenfalls steckt immer ganz viel Herzblut drin."
Beispielgebend dafür schenkt er einen 2016er Jahrgang ein. "Das war das große Frostjahr. Wenig Ernte, aber das Jahr selbst war toll", weil die Rebstöcke ihre Kraft auf die wenigen vorhandenen Trauben konzentrieren konnten. "Ein Weltklasse-Jahr eigentlich. Es gibt nicht mehr viel, also schnell zugreifen", rät Wibmer. Nicht umsonst heißt es ja Raritäten-Verkostung...
Verkostet wurden:
Erich Polz vom Weingut Polz am Grassnitzberg (Gemeinde Strass in der Steiermark) brachte besondere Raritäten zur diesjährigen Verkostung mit - und er freut sich besonders über das immer jünger werdende Publikum bei der Raritätenverkostung. "Da wächst eine Generation heran, die offenbar das Weinwissen der älteren oder Elterngeneration schon früh übernommen hat. Das ist ein gutes, ein interessantes Zeichen."
Beim Menschen verbindet man mit dem Älterwerden meist Charakterbildung. Gilt das auch für den Wein? "Ja, man kann es mit den Menschen vergleichen. Zum Schluss bleibt das Skelett übrig - und so ist es auch beim Wein." Während es in jungen Jahren Granada spielt, "reift alles weg, was primärfruchtig ist. Das wirkliche Traubengerüst bleibt stehen, dann erkennt man die wahre Größe - und den Boden."
Wichtig sei ihm bei derartigen Veranstaltungen, "dass bei den einzelnen Rieden ein roter Faden durch die Jahrgänge zieht. Das zu zeigen und zu erkosten, ist hier und heute eine tolle Möglichkeit".
Verkostet wurden:
Stefan Tement vom Weingut Tement in Berghausen (Gemeinde Ehrenhausen) reichte bei der Raritätenverkostung Weine der beiden wichtigen Rieden Sulz und Zieregg. Letztere zählt zu den international wohl bekanntesten Rieden in der Steiermark. Erzeugt dieses Erbe, diese Weiterführung der Arbeit von Vater Manfred Tement, eigentlich Druck für den Jungwinzer? "Nein, das ist kein Druck. Das Schöne daran ist, man hat immer eine Herausforderung, die man sich selbst auferlegt. Man will immer Dinge verbessern. Das ist es, was unser Handwerk ausmacht."
Wie ist bei Weinen bekannter Rieden, die schon nahe an der Perfektion sind, noch eine Verbesserung möglich? "Aus unserer Sicht gibt es keine Perfektion. Man ist nie am Ende. Deshalb kann man unser Handwerk auch bis ins hohe Alter machen." Es gebe immer eine Entwicklung, "und das ist die Summe von 1000 Zwischenstufen", sagt Stefan Tement, was die Arbeit von ihm uns seinem Bruder Armin Tement anbelangt.
Verkostet wurden:
Eine "große Zukunft" sagt Christoph Sabathi vom Weingut Erwin Sabathi in Leutschach dem Chardonnay voraus. So wie in den vergangenen Jahren der Sauvignon blanc aus der Steiermark zur Weltspitze aufgestiegen ist, sei das auch mit dem Chardonnay wiederholbar, ist der Bruder von Erwin Sabathi überzeugt - und kredenzt uns einen Chardonnay Ried Pössnitzberg Alte Reben des Jahrgangs 2013.
"Wir haben hier in der Steiermark gerade die Chance, den Chardonnay so richtig groß werden zu lassen. Die Menschen werden noch viel sprechen vom steirischen Chardonnay." Die Zeit ist reif, sozusagen. Beide mitgebrachte Weine der Brüder Erwin, Gerd und Christoph Sabathi seien Alte Reben vom Pössnitzberg. "Es ist das älteste Teilstück bei uns am Pössnitzberg, das unser Großvater schon in den 1950er Jahren gekauft hat." Also sei es einer der ältesten und mit 78 Prozent Hangneigung einer der steilsten Weinberge des Landes.
Der älteste Wein, den es am Betrieb Erwin Sabathi noch gibt? "Das ist ein Sauvignon blanc vom Pössnitzberg, Jahrgang 1968, das war der Hochzeitswein unserer Eltern. Wahnsinnige Säure, wunderschöne Farbe, 11,8 Prozent Alkohol und steht noch immer bombensicher da."
Verkostet wurden:
"Wir treffen hier auf Gastronomen genauso wie auf wichtige Wiederverkäufer, aber in Summe ist es ein großartiger Nachmittag, den wir gemeinsam mit unseren (Stamm-) Kunden erleben", resümieren Petra und Walter Frauwallner vom gleichnamigen Weingut in Straden. Und schenken uns einen Sauvignon Ried Buch 2019 ein. "Das war grundsätzlich ein großartiges Jahr, auch wenn wir im Herbst ein bisschen kämpfen mussten. Bei mir ist es fast immer so, dass Jahrgänge, in denen wir um die Trauben ein bisschen kämpfen müssen, am Ende nahe an der Perfektion sind."
Man müsse beim Verkosten nicht unbedingt ein Experte sein, glaubt Walter Frauwallner: "Wenn man einen großen Wein am Gaumen hat, dann merkt man das." Natürlich sei es in der Steiermark vielfach noch so, dass Wein gern in der Jugendlichkeit getrunken werde. Aber wenn man die Erfahrung macht, dass ein gewisses Reifefenster dem Wein nur guttut, werden reifere Weine immer mehr geschätzt. "Wir versuchen, unsere Kunden schrittweise auf diese Reise mitzunehmen."
Verkostet wurden:
Die Raritätenverkostung ist die ideale Gelegenheit, das Reifepotenzial unserer Weine näherzubringen.
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