Weihrauch-Pfarrer mit Herz für Harz

Pfarrer Mario Brandstätter hat den richtigen Riecher für Rauch mit Wohlgeruch. In seiner „Welt der Düfte“ in St. Magdalena lässt er Besucher in die weite Welt des Weihrauchs eintauchen. Über eine Sammelleidenschaft, die bei ihm bereits in jungen Jahren mit Marmeladegläsern begann.

Weihrauch-Pfarrer mit Herz für Harz

Pfarrer Mario Brandstätter hat den richtigen Riecher für Rauch mit Wohlgeruch. In seiner „Welt der Düfte“ in St. Magdalena lässt er Besucher in die weite Welt des Weihrauchs eintauchen. Über eine Sammelleidenschaft, die bei ihm bereits in jungen Jahren mit Marmeladegläsern begann.

Es riecht nach Kirche. Nach Kindheit. Nach Ritual. „Doch eigentlich riecht es hier nach Zitrone. Aber die meisten sagen sofort ‚Kirche‘, weil wir Geruch gleich mit Erinnerung vermischen“, sagt der Mann im Kapuzenpulli und gibt sogleich die Parole für die kommende Stunde aus: „Zuerst einfach nur riechen. Dann urteilen.“ Der Mann im modischen Hoodie, das ist Pfarrer Mario Brandstätter. Weihrauch-Experte mit mehr als vier Jahrzehnten Expertise – und einer Passion, die bei ihm als Bub mit einer Weihrauchsammlung in Marmeladengläsern beginnen sollte.

„Viele Menschen haben Weihrauch falsch abgespeichert“, sagt der Pfarrer. Denn während Ministranten und Gottesdienstbesucher bei allzu intensiver Rauchentwicklung schon mal blass um die Nase werden, ist Weihrauch für den Pfarrer aus der Steiermark weit mehr als nur eine olfaktorische Erinnerung an die Sonntagsmesse. Es ist Wissenschaft, Leidenschaft und – wie man in seiner „Welt der Düfte“ im alten, aber schön restaurierten Gewölbe im Pfarrhof im oststeirischen Sankt Magdalena schnell merkt: Es ist eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine Brücke zwischen Religion und Alltag. Völkerverständigung per Nase.

Kein Tag ist schön ohne Wohlgeruch

Ägyptischer Spruch

Es begann als Eisenbahnerbub

„Kein Tag ist schön ohne Wohlgeruch“, steht auf einer Tafel am Eingang – und groß auf dem Pullover des Pfarrers. Für Mario Brandstätter ist Weihrauch kein esoterisches Räucherwerk, sondern gelebte Tradition. Keine Duftstäbchen, keine mystischen Energien – nur reines Harz und jahrtausendealtes Wissen.

Die Reise begann früh. Schon als zehnjähriger Ministrant sammelte Brandstätter Weihrauch aller Art. „Damals habe ich Mesner gefragt, ob sie mir was abgeben.“ Wallfahrtsorte waren Goldgruben! Dass ihn sein Weg einmal zum Pfarrer und Weihrauch-Spezialisten machen würde, war da noch nicht abzusehen. „Ich bin ein Eisenbahnerbub aus der Hieflau.“ Bevor er Pfarrer wurde, stand eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann und später eine Tätigkeit als Lehrer auf dem Lebensplan. Aber alle drei Berufe und Berufungen helfen heute, den Menschen den besten Weihrauch aus aller Welt (und vor allem das Wissen darum) sowie dessen richtige Anwendung näherzubringen.

"Da kriegst mich von den Weihrauch-Bäumen nicht weg"

Über vier Jahrzehnte hinweg wuchs Brandstätters Weihrauch-Wissen: durch Literatur, Praxis und Reisen – allen voran in den Oman. Wo die schönsten Weihrauchbäume wachsen. „Da kriegst mich von den Bäumen net weg!“, lacht er. Damit zur Frage, woraus Weihrauch besteht. Im Grunde ist es das Harz des Weihrauchbaums, botanisch Boswellia. Er wächst in der Wüste – im Oman, im Jemen, in Indien, an der Küste Afrikas. „Das Harz ist so wertvoll, weil diese Bäume unter extremen Bedingungen überleben und Duftstoffe entwickeln müssen, die man weithin riecht.“ Nomaden wissen bis heute genau, wo die besten Bäume wachsen. Doch die moderne Welt setzt ihnen zu: Klimawandel, Kamelfraß, Raubbau. „Der Baum wird angeritzt, das Harz tritt aus – und dann wartet man. Alles mit Geduld.“

Viele Hundert Weihrauchsorten („ich kann sie gar nicht mehr zählen“) aus aller Welt lagern in Pfarrer Brandstätters Sammlung, fein säuberlich katalogisiert. Besonders stolz ist er auf einen originalgetreuen Nachbau des XXL-Rauchfasses aus Santiago de Compostela – ein Geschenk zu seinem 50. Geburtstag.

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"Erst wir haben ihn zu etwas Religiösem gemacht"

Brandstätters Führungen durch seine Ende 2016 eröffnete „Welt der Düfte“ folgen einer bewährten Formel: Wissenschaft trifft Praxis. „Ich hab mir das von einem Weinbauern aus Klöch abgeschaut“, verrät er. So beginnt alles mit einer Duftschule. Wir haben schon gelernt: „Zuerst riechen, dann urteilen“, wiederholt der Pfarrer, während er mit Bunsenbrenner die Kohle erhitzt, auf der später der Weihrauch schmelzen wird. Und da kommen wir schon zum ersten Tipp bzw. zu einem der häufigsten Fehler: Weihrauch wird nicht verbrannt, sondern geschmolzen – „Nie auf offener Flamme verbrennen. Verbrennen heißt vernichten – und Hustenreiz. Das ist wie beim Kotelett, das am offenen Feuer verkohlt und damit ungesund ist.“ Erst wenn die Kohle weiß glüht, ist sie bereit. Weihrauch ist ein Ritual, das Zeit braucht.

Als er die erste Probe – afrikanischen Weihrauch – auf das glühende Kohlenstück auflegt, weht ein frischer Duft von Zitrone durch das Gewölbe. Die zweite, nach Gehölzen und Erde riechende Probe erweist sich als Myrrhe. Die dritte als „Boswellia sacra“ aus dem Oman. „Ist das nicht herrlich? Das ist Klarheit! Minze, Frische, Gänsehaut!“, schwärmt Brandstätter, während er schon die nächste Kostprobe vorbereitet und einen Exkurs über griechischen Weihrauch (riecht nach Zypressen), der in den orthodoxen Kirchen stark eingesetzt wird, hält.

„Je Heiliger der Verkaufsname, desto größer der Fusel“

Weihrauch, das ist hierzulande ein „Begriff des Tuns“, erläutert der Pfarrer. Die meisten in Europa (wo auf Bauernhöfen schon lange, bevor Weihrauch bei Diskontern erhältlich wurde, mit Kräutern wie Salbei oder Wacholder geräuchert worden war) verbinden Weihrauch mit Liturgie. Doch Brandstätter klärt auf: „Dort, wo der beste Weihrauch herkommt, im Orient, gehört er zum Alltag. Er reinigt, er kühlt. Erst wir Christen haben ihn zu etwas Religiösem gemacht.“

Moslems nutzen ihn bis heute im Alltag, schon in der Antike galt er als begehrtes, wertvolles Gut. Wohl nicht umsonst brachten die „Drei Weisen aus dem Morgenland“ neben Gold auch Weihrauch und Myrrhe mit zu Jesu Krippe. Beides wird bis heute auch in der Medizin eingesetzt, in Apotheken ist Weihrauch hierzulande als „Olibanum“ zu finden.

Mittlerweile sind bunte, gefärbte Weihrauchmischungen auch in Supermärkten zu haben. Nicht unbedingt zur Freude des Experten: „Sie heißen Betlehem, Lourdes usw. Je heiliger der Name, desto größer der Fusel – mit Zutaten, die nichts mit Weihrauch zu tun haben!“, schmunzelt Brandstätter, der sich ein weltweites Netz an seriösen Bezugsquellen aufgebaut hat. Während afrikanischer Weihrauch im Großhandel für 20 Euro das Kilogramm zu haben ist, liegt der Preis für den hochwertigsten Weihrauch bei 400 Euro.

Über allem steht sein Mantra: „Seit Jahrhunderten wird Weihrauch importiert – aber sie haben immer vergessen, die Gebrauchsanweisung mitzuliefern.“ Genau deshalb ist Brandstätters Welt der Düfte mehr als ein Museum. Es ist ein Ort des angewandten Wissens. Pfarrer Brandstätter berät Klöster, Mesner und Pfarrer, hilft ihnen, das „richtige Verständnis und die richtige Anwendung“ zu finden. Und manchmal – wenn die Kohle weiß ist, das Harz schmilzt und der Rauch langsam aufsteigt – riecht es nach etwas mehr als nur Kirche. Dann riecht es nach jahrtausendealter Geschichte.