
Naturpark Sölktäler: Wo das Handy kein Netz hat, hat das Herz vollen Empfang
Was für uns oft bloß eine Wasserlacke ist, ist für andere das ganze Universum. Für den winzigen Bachflohkrebs zum Beispiel, den Julia Bauer gekonnt mit dem kleinen Kescher aus dem unscheinbaren Rinnsal fischt. Die Augen der Biologin leuchten: „Fantastisch, ich hätte nicht gedacht, dass hier so schnell Leben einkehrt.“ Wo sie mit unserem 5komma5sinne-Team herumstapft, sieht noch vieles nach Baustelle aus. Doch das üppige Grün verrät es bereits: hier, mitten im Ort Stein an der Enns, entsteht gerade ein Feuchtbiotop. Quasi ein Kinderzimmer der Natur.
Wasser marsch - für die Artenvielfalt
Zusätzlich zum Teich mit Steg und vielen spannenden Infotafeln entstehen rundherum noch Wildblumenwiesen, Biodiversitäts-Hecken aus regionalen Gehölzen, die z.B. dem Neuntöter-Vogel (er spießt seine Beute auf Ästen auf) als Rückzugsraum dienen sollen. Weitere Infrastruktur wie Wege und Bänke ermöglicht es Schulen, den Unterricht ins Freie zu verlegen. Und etwa mitzuverfolgen, wie aus kleinen Kaulquappen große grüne Frösche werden…
Steiermarkweite Initiative, um Lebensräume zu verbinden
Das neue Feuchtbiotop ist eines von vielen Projekten im Naturpark Sölktäler, wie Julia Bauer zusammen mit Naturpark-Geschäftsführerin Gabriele Trinker erklärt. „Der Mensch zerschneidet Lebensräume. Aber schon mit kleinen Schritten wie diesem Biotop, oder mit einem Insektenhotel im eigenen Garten, lassen sich Lebensräume wieder verbinden.“ Dies ist auch die Grundidee des neuen, steiermarkweiten Biotopverbundes „Naturverbunden Steiermark“, an dem neben den sieben steirischen Naturparken und dem Land Steiermark auch wichtige Stakeholder-Gruppen wie die Jägerschaft, die Land- und Forstwirtschaft und Naturschutz-Organisationen beteiligt sind.
Der Aufbau eines Biotopverbunds in der Steiermark soll Lebensräume erhalten, verbinden und neu schaffen. Unterstützt von Land Steiermark, Gemeindebund Steiermark, Städtebund Steiermark, Österr. Städtebund, DIE STEIRISCHE JAGD und Landwirtschaftskammer Steiermark sowie getragen vom Engagement vieler Menschen und Organisationen, entstehen neue Verbindungen – für Tiere, Pflanzen und Menschen.
Wo Ideen fliegen lernen wie die Eintagsfliegenlarve
Im Naturpark Sölktäler ist Julia Bauer als neue Biodiversitäts-Managerin nun dafür zuständig, dass die vielen Ideen rund um den Biotopverbund fliegen lernen. So wie die Eintagsfliegenlarve, die sie im Teich-Zufluss entdeckt, wo unsereins vielleicht achtlos draufgestiegen wäre – und uns erinnert: Leben ist kostbar.
Malerisch viel Arbeit: 5komma5sinne beim Alm-Schwenden in der Kleinsölk
Ziel der Naturparke ist es, nicht nur Lebensräume zu verbinden, sondern auch Mensch und Natur. So gibt es im Naturpark Sölktäler so genannte „Schwendtage“, bei denen Einheimische genauso wie aktive Urlauber eingeladen sind, bei der Pflege der Almen zu helfen. Und das ist echte Handarbeit, wie wir beim gemeinsamen Schwenden auf der Zauneralm in der Kleinsölk mit Zange, Säge und Sichel erlebt haben. Schöner Nebeneffekt der anstrengenden Arbeit: Da, wo das Handy kein Netz hat, schaltet das Herz auf vollen Empfang.
Die Erhaltung des Almmosaiks, dieses einzigartigen Miteinanders von offenen, artenreichen Weidenflächen, Zwergsträuchern, Flüssen und Latschen, ist ebenso Teil der Biotopverbund-Projekte. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Erhaltung einer offenen Almfläche, damit Auer- und Birkwild geeignete Balzflächen vorfinden.
Beim Schwenden werden unerwünschte Pflanzen oder junge Bäume auf Almflächen entfernt. Das verhindert eine Verwaldung und erhält offene, artenreiche Lebensräume – und damit auch die typische Kulturlandschaft der Alpen.
Ohne händische Pflege und Rinder im Sommer wäre hier statt einer Alm binnen weniger Jahre ein Wald
Paul-Josef Colloredo-Mannsfeld
Copyright ©
5komma5sinne
Gegenseitiger Respekt ist wichtig
„Ohne händische Pflege und Rinder im Sommer würden Almen schnell verbuschen. Binnen weniger Jahre wäre das hier alles Wald“, erklärt Paul-Josef Colloredo-Mannsfeld, der als Grundeigentümer in der Kleinsölk seit vielen Jahren eng mit dem Naturpark Sölktäler zusammenarbeitet. Wichtige Basis sei der gegenseitige Respekt, so Colloredo-Mannsfeld. Und das schließt den Respekt der Freizeit-Almnutzer vor dem Eigentum anderer genauso mit ein wie den Respekt des Menschen vor einem der letzten naturbelassenen Stückerln Erde, wie sie hier in der Kleinsölk vorzufinden sind.
Die Natur kommt ohne Menschen aus, aber wir nicht ohne die Natur
Genau für solche Dinge Bewusstsein zu schaffen, sieht Gabriele Trinker als wichtige Aufgabe der Naturparke an. „Denn die Natur kommt leicht ohne die Menschen aus. Wir aber nicht ohne die Natur.“
Als kleines Dankeschön für unsere Hilfe bei der Almpflege gibt‘s von der Sennerin der Zauneralm frische Steirerkaskrapfen. Und ein gutes Gefühl. Im Hintergrund klingen die Glocken der Kühe wie ein leiser Applaus.