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René Strasser
70 Jahre Südsteirische Weinstraße: Eine Straße zum Erfolg
25.05.2025
Mit 70 Jahren: Da sind Menschen längst in Pension. Die südsteirische Weinstraße wirkt mit 70 Jahren aber jünger denn je. Was ist das Geheimnis?
Herbert Germuth: Das ist ein Verdienst der Betriebe, die sich im Laufe dieser 70 Jahre stets weiterentwickelt und der Zeit angepasst haben. Der steirische Wein mit seinen Top-Qualitäten ist mittlerweile international bekannt. Ebenso innovativ wie im Weinbau sind die Betriebe im Tourismus, von der Beherbergung bis zur Gastronomie. Außerdem: 1955, als unsere Großeltern-Generation die Weitsicht für den Bau einer Weinstraße hatte, war unsere Region an der Grenze zu Jugoslawien eine der ärmsten in ganz Österreich. Das hat sich durch den Mut der Betriebe geändert.
Waren für diese Entwicklung der Wein und die Weinstraße wichtige Trägerraketen?
Der Wein hat die wirtschaftliche Grundlage für das Wachstum im touristischen Bereich ermöglicht. Der Weinskandal in den 1980er-Jahren war dann ein Impulsgeber, die Betriebe hatten den Mut, in allen Bereichen nochmals massiv in die Qualität zu investieren und sich selbstbewusst am Markt zu platzieren. Und das alles mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
Unterscheidet das die Südsteiermark von anderen Weinregionen?
Wir haben für alle etwas: Bei uns gibt es Buschenschänken, wo man sehr gute Qualität zu einem tollen Preis erhält. Wir haben viele typische Wirtshäuser, aber auch Top-Restaurants, mit Hauben und Sternen gekrönt. Wir sind sehr stolz, dass sechs von zwölf Sternen, die steirische Spitzenrestaurants zuletzt von Michelin erhielten, bei uns in der Region sind. Aber am stärksten unterscheidet uns von anderen Weinregionen, dass die Gastronomiebetriebe und Gästezimmer direkt dort sind, wo der Wein wächst, und nicht alle innerhalb einer dörflichen Struktur zu finden sind. Und was uns noch stark von anderen unterscheidet, ist die familiäre Struktur, die wir haben.
Hat sich auch das Publikum in den letzten Jahrzehnten verändert?
Auf jeden Fall. Wenn man 30 oder 40 Jahre zurückschaut, hatten wir viel Bustourismus in der Region. Es gab relativ wenige, dafür große Betriebe. Und die kleineren Weinbetriebe haben Tourismus nur nebenher betrieben, das hat sich massiv umgestellt. So hat sich das Publikum gewandelt, hin zu Individualurlaubern, Familien, Paaren, Kleingruppen, die hier nächtigen, Tagesausflüge machen und vieles ausprobieren.
Welche Herausforderungen bringt die gestiegene Popularität?
Wir haben mit 12.000 Gästebetten und 850.000 Nächtigungen in der gesamten Erlebnisregion Südsteiermark bestimmt keinen Übertourismus. Es gibt einzelne Tage an den Herbstwochenenden, wo viel Tagestourismus dazukommt. Daher bemühen wir uns um eine kluge Besucherlenkung, etwa mit unserem guten Radwegenetz und angebotenen Touren, damit sich das gut verteilt über die gesamte Region.
Zurück zur Weinstraße: Das ist in turbulenten Zeiten wie diesen ein gutes Beispiel, wie man weiterkommt, wenn man mit- und nicht gegeneinander arbeitet, oder?
Das war sicher der Schlüssel zum Erfolg! Es ist unglaublich, wie ein anfangs 2,5 Kilometer langes Stück Straße so eine Bewegung hervorgebracht hat. Hier sieht man, wie wichtig In-frastruktur für die touristische und wirtschaftliche Entwicklung einer ganzen Region ist. Und das geht weit über die Straße hinaus, es gibt die STK-Weingüter, dann die „Sieme“, wo junge Weinbauern zusammenarbeiten, oder die kulinarische Weinberg-Wanderung mit zehn Betrieben, wo wir gemeinsam diesen Weg tragen und ein Betrieb den anderen weiterempfiehlt. Und alle Betriebe der Südsteiermark sind seit zehn Jahren schon über unser WEINmobil miteinander verbunden. Das spüren die Gäste und honorieren das sehr. Es geht nur, wenn wir zusammenarbeiten.
Du lebst seit jeher im Herzstück der Weinstraße. Da gibt es bestimmt die eine oder andere Anekdote zu erzählen, oder?
Ja, von Erzählungen der Elterngeneration wissen wir, dass anfangs eigentlich keiner geahnt hat, dass ein Stück Straße von der Kästenburg entlang der Grenze so einen Impuls geben wird. Aber dann war bei der Eröffnung der Landeshauptmann Josef Krainer da, alle Medien waren da – was damals ungewöhnlich war. Damit hat ein Ausflugstourismus von Graz aus eingesetzt.
Es ist unglaublich, wie ein anfangs 2,5 Kilometer langes Straßenstück so eine Bewegung hervorgebracht hat.
Herbert Germuth
Auch weil viele wegen der Grenze neugierig waren?
Ja, diese wurde damals noch vom jugoslawischen Militär, schwer bewaffnet und mit Hunden, bewacht. Und es war gar nicht so selten, dass Einheimische, ohne es zu wissen, ein paar Meter über die grüne Grenze gerieten. Dann ist man nach Marburg zum Verhör mitgenommen worden und erst am nächsten Tag zurückgekommen. Aber es ist zum Glück nie etwas passiert.
Gibt es geheime schönste Plätze in der Region, die du uns verraten magst?
Es gibt so viele, von der Koralm und Deutschlandsberg über das Sausal bis hierher zum Grenztisch. Es gibt einen Punkt entlang der Weinstraße, das ist in Ratsch, wo auch eine Webcam installiert ist. Die ist so typisch für unsere Region: Du blickst in ein kleines Tal mit Weingärten, vielen Betrieben, Streuobst, siehst ein bisschen Wald, dahinter die Weinberge. Das ist wie ein Landschaftsbild, das man schöner nicht malen könnte.
Feiern wir 70 Jahre Südsteirische Weinstraße!
Das erste große Jubiläumsfest wird am 25. Mai 2025 in Leutschach im Zuge der Veranstaltungsserie „A Steirische Roas“ gefeiert. Entlang von 7 Stationen der „Kulinarischen Weinberg-Wanderung“ gibt es Genuss, Tracht und Tradition.
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