
Copyright ©
MotionAds
EAV-Urgestein Günther Schönberger – vom Saxofon zum Sauvignon
Der Wirt hat in der Küche gerade beide Hände tief im Blaukraut vergraben, als der weit gereiste Gast mit dem markanten grauen Langhaar durch die historischen Räumlichkeiten der südsteirischen Gasthaus-Institution stapft. Als sich die Blicke der beiden begegnen, wird augenscheinlich: Hier treffen sich zwei Freunde. Der Gast kennt den Hausbrauch, schreitet schnurstracks Richtung Gastgarten, wobei dieser Begriff eine maßlose Untertreibung ist. Vielmehr eröffnet sich gleich hinter dem Hof des Gasthaus-Restaurants Thaller in St. Veit in der Südsteiermark ein mehrere Tausend Quadratmeter großer Garten der Genüsse.
Gemüsebeete und Kräuter-Refugien, so weit das Auge reicht. Ein malerischer Fischteich. Hier holen sich die Wirtsleute, der neuerdings mit Michelin-Stern und drei Hauben gekrönte Spitzenkoch Norbert Thaller und seine Frau, einen Gutteil von dem, was sie nach Formvollendung in der Küche ihren Gästen servieren. Der Gast mit dem weißen Haar nascht von den Trauben der Weinhecke. Und im Laufe des folgenden Gesprächs dämmert uns rasch, warum EAV- und Winzerlegende Günther Schönberger genau diesen Ort für unser Interview vorgeschlagen hat …
Vom Sax zum Sauvignon, wann hast du gemerkt, dass dir der Rebsaft mindestens ebenso wichtig ist wie der Rhythmus?
Günther Schönberger: Wann habe ich das gemerkt? Mitte der 90er-Jahre, da bin ich bei der EAV ausgestiegen, 1996 oder so herum. Da habe ich Weinbau schon hobbymäßig betrieben. 1991, nach ein paar Auftritten auf der Seebühne, habe ich in Mörbisch die ersten Weingärten erworben. 1992 gab’s die erste Ernte.
Von wem hast du das Handwerk gelernt?
Ich war ab 1978 neben der EAV praktisch zwei Jahrzehnte unterwegs in der Weinwelt, zuerst vor allem in Österreich, in der Südsteiermark, im Burgenland und in der Wachau in Niederösterreich. Ich habe viel Wein gekostet und viel Wein gekauft. Ich habe einen Weinkeller daheim, da sind, glaube ich, 4.000 Flaschen drin. Ich war jedes Jahr bei einem anderen Weinbauern bei der Lese dabei und habe da schon ein paar Grundbegriffe und Grundvoraussetzungen mitgekriegt.
Und der Rest: Weinlearning by Doing?
Natürlich. Später war ich oft in der Toskana, in Bordeaux, in Burgund, in den Weinbaugebieten Deutschlands. Den Weinbauern bin ich wohl oft auf den Nerv gegangen, weil ich sehr konkrete Fragen gestellt habe, wie man zu dem Produkt kommt. Es hat mich ja nicht bloß interessiert, einen guten Wein zu kaufen, der mir schmeckt. Vielmehr wollte ich immer genau wissen: Wie wird der Wein gemacht? Welche Böden sind wichtig? Welche Voraussetzungen sind gut, um einen guten Wein machen zu können? Wein machen, das klingt so deppert, Wein kannst du nicht machen. Wein entsteht nicht im Keller, sondern im Weingarten. Der Begriff Naturwein verstehe ich ja überhaupt nicht, weil die Natur macht keinen Wein. Die Natur schenkt uns Trauben und der Mensch kann, wenn er gut drauf und dazu fähig ist, daraus einen guten Wein schaffen.
Wir beide erfinden die Welt nicht neu. Wir lassen nur altes Wissen aufleben.
Günther Schönberger und Norbert Thaller
Wie lang hat es gedauert, bis du vom „der von der EAV“ zum „der mit dem Spitzenwein aus Mörbisch“ geworden bist?
Ich wollte von Anfang an nie mit dem Attribut EAV Wein verkaufen. Ich wollte immer meinen Wein verkaufen, weil er gut ist.
Sternekoch Norbert Thaller setzt sich zu uns im Gastgarten. Schürze um, Kappe auf, greift er zum Weinglas und strahlt – und schnell wird klar, warum wir uns genau hier zum Interview getroffen haben: „Der Norbert Thaller war der erste steirische Gastrobetrieb, der meinen burgenländischen Wein in die Karte aufgenommen hat“, sagt Günther Schönberger. Der Beginn einer mittlerweile fast 30-jährigen Geschäftsbeziehung. Doch das Wort trifft es nicht, „Freundschaft“ viel eher. Was beide eint? „Wahrscheinlich, dass wir uns sehr vieles von unserer Arbeit selbst beigebracht haben“, sagt der 47-jährige Sternekoch, der in seinen Lehrjahren nicht wie viele andere um die Welt gereist ist, sondern in Mutters Gasthausküche gelernt hat.
Noch etwas verbindet die beiden ganz eindeutig: die Hingabe zum Unverfälschten. Die Fokussierung auf das Echte – das ist wohl die Essenz ihrer beider kulinarischer Arbeit. „Ein Wein muss eine Seele haben, wie ein gutes Essen eine Seele haben muss“, sinnieren die beiden bei einem Glas Schönberger Morillon. „Je mehr du eingreifst beim Wein oder beim Essen, desto mehr nimmst du dem Urprodukt etwas.“
Günther, du hast von Anfang an biologisch und bioorganisch gearbeitet – nun sogar biodynamisch. Wir sprechen vom Jahr 1991, da warst du wohl der Punk im Weingarten, oder?
Das bin ich, glaube ich, jetzt noch immer. Es hat sich schon einiges geändert, jetzt gibt es zum Glück eine größere Anzahl an Weinbauern und Bauern überhaupt, die biologisch und biodynamisch arbeiten. Aber damals, die Kollegen in Mörbisch, die haben gelacht. Die haben gesagt, der spinnende Musiker, der soll machen.
„Das Unverfälschte“, sagt Norbert Thaller, bevor er sich wieder aufmacht in die Küche, „das Natürliche gibt es schon Tausende Jahre länger. Beim Wein und beim Essen. „Wir beide erfinden nichts. Wir holen nur das alte Wissen und alte Handwerk wieder zurück.“ Sagt’s und macht sich auf in die Küche, um für den Abend ein weiteres Drei-Hauben-Menü, mit Zutaten großteils aus dem Garten nebenan, vorzubereiten. Freundliche Umarmung inklusive.
Wie wichtig ist eigentlich der direkte Kontakt des Winzers zu Kunden in der Gastronomie?
Der ist total wichtig. Sich auszutauschen, über Probleme zu reden oder gemeinsam zu erarbeiten, welcher Wein am besten zu welchem neuen Gericht passt. Nur eines ist dabei halt wichtig: Dass die Rechnung, die man fürs Essen beim Wirten hat, nicht höher ist als die Weinrechnung, die man selbst ausstellt (lacht).
Gibt es ein Erfolgsgeheimnis, das für Wein genauso gilt wie für die Küche und die Showbühne?
Du darfst nie glauben, du bist am Ziel. Das ist wohl in jedem Beruf so. Wenn du glaubst, du bist der Beste, dann geht es schon bergab. Das Schwierigste ist, oben zu bleiben, die Qualität zu halten.
Was war der Grund, warum es 1991 ein Weingut im Burgenland geworden ist und nicht in deiner steirischen Heimat?
Die Steiermark ist ein Weinbaugebiet, das vom Weißwein geprägt ist. Das ist dem Klima geschuldet. Im Burgenland konnte man schon vor 30 Jahren Weißwein, Rotwein und Süßwein in guter Qualität machen. Das hat mich damals fasziniert. Weil damals das Burgenland eines der wenigen Gebiete neben Bordeaux war, wo man Süßwein in relativ großer Menge und relativ sicher produzieren konnte.
Hat sich das durch die Klimaerwärmung nicht schon angeglichen?
Natürlich. Das hat der Klimawandel, den ja gewisse Gruppierungen nicht akzeptieren, bewirkt. Als ich angefangen habe, war der Lesebeginn Anfang, Mitte Oktober und jetzt ist er bei uns Ende August, Anfang September.
Mittlerweile führt dein Sohn Jakob den Betrieb, auf den neuen Etiketten steht Jakob Schönberger drauf. Lässt er sich vom Vater beraten?
Diesen Eindruck habe ich schon. Wir treffen Entscheidungen gemeinsam, diskutieren viel.
Wein machen. Das klingt so deppert. Wein kannst du nicht machen. Wein entsteht nicht im Keller, sondern im Weingarten.
Günther Schönberger
Ändern wir nun die Flughöhe und kommen nochmals auf die EAV-Vergangenheit zu sprechen: Wie viel Kunst steckt im Wein und wie viel Kunst braucht ein Wein?
Ich glaube weniger, dass Kunst im Wein steckt, sondern Kultur. Wein ist eines der ältesten Kulturgüter, die wir haben.
Und wie viel Wein muss man getrunken haben, dass einem in den 1980er-Jahren einfällt, mit einer Gummi-Giraffe zum Lied „Copacabana“ über die Bühne zu laufen?
Wenn wir geprobt haben, haben wir natürlich auch Wein getrunken. Rot und Weiß. Doppelliter. Das haben wir im Metro gekauft. 21 Schilling. Wir haben damals auf dem Bauernhof gelebt, in Edelstauden.
Das waren also die Anfänge?
Nein, die waren in Wien. Ich war ja Lehrer in Kirchberg an der Raab und bin jeden Tag zum Proben nach Wien gefahren und irgendwann in der Nacht wieder heim. 1978 habe ich dann als Lehrer gekündigt.
Ist die Weinwelt manchmal genauso exzentrisch und eitel wie die Musikwelt?
Ja, sicher. Du musst überall gute Qualität abliefern. Du musst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Das hat auch mit der Musik lange gedauert, bis wir akzeptiert worden sind. Damals war ja Ö3 das einzige Medium, das wichtig war. Wir waren oft beim Sender, haben die Redakteure bekniet und mit ihnen in der Kantine Wein getrunken, damit unsere Nummern gespielt werden. Wir waren ja anfangs in Deutschland viel erfolgreicher als in Österreich. Haben zwei Monate täglich in Hamburg gespielt in einem Club. Am ersten Tag waren 20 Leute da, am zweiten Tag 60 und ab dem dritten war alles ausverkauft. Der Otto und der Udo Lindenberg sind an der Kasse gesessen. Dann waren wir drei, vier Jahre lang mit einem umgebauten alten Bus meines Onkels auf Tour.
Was ist ungemütlicher: in diesem Tourbus schlafen oder auf deinem Traktor sitzen?
(Überlegt lange) Mein Traktor ist auch schon ziemlich alt. Und im Weingarten ist es uneben.
Bei dem Erfolg der EAV: Warum kam es zum Umstieg von der Musik zum Weingarten?
Ich hatte nach 20 Jahren genug vom Tourleben. Wir waren ja irrsinnig viele Tage im Jahr unterwegs. Ich weiß nicht, wie oft wir bei „Wetten, dass ..?“ waren. Da brauchst du gleich mal ein paar Tage für einen Auftritt für drei Minuten. Du sitzt den ganzen Tag in der Kantine und tschecherst und dann musst du drei Minuten auf die Bühne. Das ist mir irgendwann einmal am Nerv gegangen. Dass ich damals schon meinen Weingarten hatte, kam mir sehr gelegen. Es war genau das Gegenteil vom Tourleben. Weil Wein ist sehr stark bodenverhaftet.
Was würdest du einem 25-jährigen Günther Schönberger raten? Boden oder Bühne?
Schwierig. Ich war Lehrer, ich war Musiker, ich bin jetzt Weinbauer. Ich würde ihm sagen: Mach das, was dir Spaß macht. Das ist das Wichtigste im Leben. Ein Beruf, wo du jeden Tag aufstehst und denkst, wann kann ich in Pension gehen? – das muss das Schlimmste sein.




