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Rene Strasser
Himmlisches Erlebnis: Ballonfahren über der Apfelstraße in Puch
19.10.2025 - 24.10.2025
Das steirische Apfeldorf Puch wiegt samt Luft mehr als 3000 Kilogramm, hat einen Korb – und faucht. Wenn der Tag langsam die Nacht abschüttelt, schnaubt im flachen Licht der aufgehenden Sonne ein bunter, feuriger Riese die erste Botschaft des frühen Morgens in den Himmel: Aufstieg! Und schon hebt er ab, unser Heißluftballon mit der Aufschrift „Apfeldorf Puch“.
Ganz klarer Fall: Hier hat der Himmelvater seine Finger im Spiel. Und zwar nicht nur, weil diese Gegend zur Zeit der Apfelernte einem buchstäblichen Paradies schon ganz schön nahekommt. In diesem Fall heißt der Himmelvater mit bürgerlichem Namen Johann Almer. Das wissen aber die wenigsten. Ist die oststeirische Heißluftballon-Pilotenlegende doch ob seines biblischen Aussehens von Osteuropa bis Japan als „Flying Himmelvater“ bekannt.
Er hat uns im kleinen Finger
Almer steht im Korb, der mit zwölf Seilen und vier Karabinern an der 3.000 Kubikmeter fassenden Ballonhülle hängt. Vollbart und Mähne zieren den Mann seit Jahrzehnten, das Gesicht wach und wettergegerbt. Zwei Finger genügen ihm, um die 3,5 Tonnen Masse des Ballons in Bewegung zu bringen. Und später noch wichtiger: zur butterweichen Landung zu verhelfen. Bei Start und Landung wird schnell klar: Ballonfahren ist Teamsport. Mit der Routine unzähliger Luftfahrten hat Johann Almers Team – der junge Pilot Michael Eiteljörg, seine Partnerin Christina Macher und der weltweit vernetzte Ballon- und Flugzeugpilot Thomas Herndl – in aller Früh aus einem schweren Sack einen stattlichen Heißluftballon gezaubert.
Aber jetzt sind einmal wir selbst die Wolken-Kratzer, ist so manche kleine Schönwetterwolke doch zum Angreifen nah. Unter uns ringen gerade der späte Sommer und der frühe Herbst farbenfroh um die Deutungshoheit.
Das Apfelland in seiner herbstlichen Pracht, von oben gesehen wie ein lebendig gewordenes Gemälde. Die südöstlichen Ausläufer der Alpen (Rabenwald!) treffen auf Flüsse wie Feistritz und Raab, die sich über Jahrtausende hindurch in fruchtbare Täler geschmiegt haben. Im Süden ragt das slowenische Pohorje-Gebirge ins Bild, im Norden grüßt die Rote Wand – und daneben die Hohe Veitsch, als wolle sie sagen: „Ich bin auch noch da.“
„Du musst aufsteigen, um runterzukommen“, sagt Almer. Alles unter uns wird kleiner, ruhiger. Keine Eile, kein Lärm. Nur das leise Fauchen des Brenners, das gelegentliche Staunen der Mitfahrer und das Glitzern der Morgensonne über dem Kulm.
Puch ist die Wiege des Ballonsports in Österreich.
Johann „Himmelvater“ Almer
Wo alles begann...
Diese Aussicht – sie ist nicht nur spektakulär, sie ist historisch. Denn genau hier, über den Apfelbäumen von Puch bei Weiz, begann vor 50 Jahren die Geschichte des ersten Heißluftballonclubs Österreichs, der Union Aeronautic Styria. Visionäre um den damaligen Tourismus-Obmann Karl Scholz und Journalist Bernd Chibici wollten mit dem Ballon weniger Rekorde brechen, sondern vielmehr Touristen begeistern. 1976 fand die erste internationale Ballonwoche statt, die heute bis weit über die Grenzen als „Apfelmontgolfiade“ bekannt ist. Waren anfangs externe Piloten mit deren Ballonen am Start, fuhren 1979 Oststeirer mit 100.000 Schilling in bar im VW-Pritschenwagen nach England, um dort den ersten gebrauchten Ballon für den Pucher Club zu kaufen.
Ein Jahr später hob der erste neue Pucher Ballon ab. Damals schon mit grünem Steiermark-Herz und Werbung für das „Feriendorf Puch“. Und mittendrin ein junger Johann Almer, der damals noch beim Aufbau half, beim Einpacken der Hülle, beim Einheizen der Träume.
„Ich war von Anfang an dabei“, sagt er heute. „Und irgendwann hat’s mich halt selber erwischt.“ Mit ungarischem Pilotenschein hob der „Himmelvater“ ab 1985 in Ungarn ab – und wurde sogar ungarischer Staatsmeister. Ab 1989 schließlich sollte er mit dem damals jüngsten Piloten Österreichs, Gerhard „Rottschi“ Rottinger, das Ballonclub-Geschehen in Puch bis heute maßgeblich prägen.
Das Schönste am Ballonfahren: Erinnerungen schaffen
Es ist mehr als das Fliegen, das die Aeronautiker „Fahren“ nennen, weil Ballone, ähnlich der Schifffahrt, stark vom Wind abhängig sind. Es ist ein Lebensgefühl. „Dieses Gefühl, über den Dingen zu schweben. Du hast Weitblick. Und Zeit. Und vor allem: Ruhe.“
3.000 Ballonstarts, mehr als 3.000 Stunden in der Luft. Nimmt man den Achtstundentag als Maßstab, war der Himmelvater über ein Jahr lang in den Lüften unterwegs. Zweimal bei Weltmeisterschaften in Japan, „dem ballonverrücktesten Volk überhaupt, mit täglich 250.000 Besuchern“. Bei Europameisterschaften in Schweden und im Baltikum. Oder ganz intim, bei einer Silvesterfahrt über Graz, wo die Sonne die Glaskuppel der Synagoge in ein Sternenmeer verwandelte. „So viel Schönheit lässt sich manchmal mit Worten kaum beschreiben.“
„Aber das Schönste ist immer noch, anderen Menschen dieses Erlebnis zu ermöglichen“, sagt Almer. „Erinnerungen zu schaffen. Für einen Moment über den Dingen zu sein.“
Ballonfahren und Apelstraße: A Perfect Match
Dass ausgerechnet Puch ein Epizentrum des heimischen Ballonsports wurde, ist kein Zufall. Wenig Luftverkehr von Flughäfen, viele Hügel, die den Wind schon hinter dem nächsten Berg drehen lassen und so eine Variable in die Gleichung bringen. „Das ist ja auch das Schöne am Ballonfahren“, sinniert Almer, „du kannst nix erzwingen.“
Und dann ist da natürlich noch die Apfelstraße, die kommendes Jahr ebenfalls ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Eine Route wie aus dem Bilderbuch – und eine perfekte Kulisse für luftige Abenteuer.
Es ist eine Symbiose. „Die Apfelstraße ist sicher mit ein Grund, warum hier so viel und gern Ballon gefahren wird“, sagt Almer. Andere Gäste wiederum kommen wegen der Ballone – und bleiben wegen der Äpfel.
Und natürlich, so ein „Himmelfahrts“-Kommando ist nicht nur eine One-Man-Show. Johann Almers Frau Elsbeth unterstützt ihn seit Jahrzehnten mit unerschütterlicher Geduld. Ihre Tochter Karin war mit 17 die jüngste Pilotin Österreichs. Schwiegersohn Thomas Herndl feierte internationale Erfolge in der Luft und ist Gründungsmitglied der „European Ballooning Federation“. Wenn du einmal vom Ballonvirus gepackt bist, gibt’s kein Zurück.
Über das Wetter, das Leben und das Loslassen
Wichtigstes Werkzeug jedes Ballonfahrers? Der Blick zum Himmel. „Wenn du von Puch aus den Sendemast am Schöckl siehst, wird’s wahrscheinlich nix“, sagt Almer trocken. „Entweder zu viel Wind oder ein Wetterumschwung.“ Und wenn gefahren wird, dann nur mit der Erfahrung aus Jahrzehnten. Und gab’s auch mal bren(n)zlige Situationen? Sicher. „Aber in 40 Jahren hab ich noch kein einziges Pflasterl für meine Gäste gebraucht“, sagt Almer. „Und ein Handy ist auch noch keines aus dem Korb gefallen.“ Stoische Ruhe sei da von Vorteil. Und ein gutes, vorausschauendes Auge für Stromleitungen, Feldwege – und das richtige Maß an Brenner-Hitze, wenn’s ums Dach eines Bauernhofs geht.
Vielleicht liegt’s an der gemächlichen Bewegung. Vielleicht an der Perspektive. Aber wer mit Johann Almer unterwegs ist, hört Gedanken über das Leben. Die Zeit. Die Gesellschaft. „Da oben wird dir schnell klar“, sagt Almer, „dass du nicht das große Wunder bist – sondern ein kleiner Teil des Universums in Bewegung.“
Und man hört Anekdoten sonder Zahl. Wie von der Puch-Ballonfahrt mit dem damaligen Bischof Johann Weber, der bei einer Zwischenlandung samt Schnapserl beim Hoadnbauer kirchentauglich festgestellt hat: „Heute komm i vom Himmel oba.“ Oder von einer Fahrt, die ein Freund trotz absoluter Windstille unternehmen wollte. Tja, bis zur Landung beim Kirchenwirt Hofer dauerte es zwar knapp zwei Stunden. Aber nur Dank Zwischenlandungen beim Meißl-Wirt und der Eitljörg-Konditorei. Luftlinie: eine Handvoll Meter.
Noch nie Durst gelitten....
Fazit: Der Reiz des Apfeldorfs Puch fürs Ballonfahren ist nicht nur optischer Natur, er schließt auch die Zeit nach der Landung mit ein. In Himmelvater-Worten: „Durst gelitten haben wir noch nie.“
50 Jahre Ballonclub Puch. 40 Jahre Flying Himmelvater. 40 Jahre Apfelstraße. Und jedes Jahr im Herbst füllt sich der Himmel über dem Apfelland mit bunten Hüllen, leuchtenden Herzen und leisen Träumen. Wenn die Apfelmontgolfiade heuer vom 19. bis 25. Oktober wieder losgeht, stehen sie bereit – die Pioniere, die Nachfolger, die Piloten aus aller Welt. Und mittendrin ein Mann mit langen Haaren, langem Bart und einem Herzen für die Lüfte. Er hebt lieber ab, als abgehoben zu wirken. Und ist lieber bodenständig als ständig am Boden.
49. Apfelmontgolfiade: Vom 19. bis 24. Oktober geht die beliebte Ballonwoche im Apfeldorf Puch über die Bühne.
ApfelstraßenHERBST: noch bis 26. Oktober rund um die Steirische Apfelstraße.
Zum 50-Jahr-Jubiläum des Ballonclubs Union Aeronautic Styria Puch findet vom 5. bis
9. August 2026 die Heißluftballon–Staatsmeisterschaft in Puch statt. Mehr Infos zum Ballonfahren in Puch:
www.ballonclubpuch.at oder +43 664 200 1916




