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Das Café Fotter ist eine alteingesessene Kaffeehausinstitution in Graz. In den über 80 Jahre alten Räumen stehen gemütliche Sitzgarnituren, die Dielen knarzen laut, wenn man zum Platz geht, und der Rosengarten im Innenhof ist eine kleine, versteckte Oase zwischen den bürgerlichen Fassaden der Geidorfer Häuser. Genau das, wird Ruth Nezmahen später beim Kaffee sagen, sei das, was sie an Graz so liebe. Die Geruhsamkeit, die Kulinarik und die Innenhöfe. Einfach das Gefühl von Graz – dieser großen Kleinstadt und kleinen Großstadt.
Ruth Nezmahen, das ist der Kopf hinter Discover Graz, einer kleinen Gruppe von geprüften Fremdenführern, die alle die Liebe zur steirischen Landeshauptstadt verbindet. Bereits während ihres Geschichtsstudiums an der Karl-Franzens-Universität machte Ruth die Ausbildung zur Fremdenführerin und nach dem Start in die Guide-Karriere als Führerin auf der Riegersburg zog es sie zur „Metropole“ an der Mur.
Hier entstand Discover Graz, ein bunter Haufen junger Leute, die alle staatlich geprüfte Austria Guides sind und für Graz brennen. Mit Leidenschaft, viel Erfahrung und interessanten Touren wollen sie zeigen was die Stadt alles zu bieten hat, auch abseits von Schlossberg, Herrengasse und Oper. Deshalb tragen die Touren auch Titel wie „Lust und Laster“, „Graz very british“ oder „Grazer Girlpower“ und handeln von genau diesen Dingen, die oft hinter der gut-bürgerlichen Fassaden der Innenstadt versteckt bleiben.
Doch nicht nur die Themen der von Ruth Nezmahen erdachten Touren lassen diese aus der Masse der Stadtführungen hervorstechen, auch dass Discover Graz gratis Touren anbietet ist etwas Besonderes. Sogenannte Free Walking Tours gibt es inzwischen in vielen Großstädten und funktionieren meist alle nach einem ähnlichen System. Man meldet sich zu einer Stadtführung beim Anbieter an, kommt zum richtigen Zeitpunkt zum Treffpunkt, genießt die Tour und abschließend zahlt man so viel, wie einem die Tour wert war. Das kann auch nichts sein oder man kann sogar vor dem eigentlichen Ende die Führung für sich beenden. Ganz ohne Verpflichtung und mit niedriger Hemmschwelle lässt sich so die Stadt erkunden. „Am Anfang waren vor allem Kollegen skeptisch, weil das Thema Free Tour in Österreich auch noch nicht so groß war bzw. ist. Inzwischen haben wir uns aber ganz gut etabliert“, sagt Ruth Nezmahen.
Natürlich gibt es auch klassische, kostenpflichtige Stadtführungen, hier können sich Kunden dann den Termin aussuchen und gerne auch einmal Sonderwünsche und kleine Routenänderungen einbringen. Dadurch das jeder Guide andere Interessengebiete hat, ist jede Tour, auch wenn sie den gleichen Namen trägt, anders und ein ganz persönlicher Austausch zwischen der Gruppe und den Guides. Hin und wieder gibt es außerdem hybride Touren, die eigentlich gratis wären, aber weil sie Einblicke hinter Kulissen geben oder eine kleine Stärkung dabei ist, auch im Vorhinein etwas kosten. Doch Genaueres wird hier erläutert: discovergraz.at/free-tour/
„Zu entdecken gibt es immer etwas!“
Die Liebe zu Graz merkt man Ruth sofort an, wenn sie ins Erzählen kommt oder von ihren Geheimtipps schwärmt. Doch was macht nun Graz so besonders und warum sollte man es besuchen? Bei dieser Frage stutzt Ruth kurz, gerade im Vergleich zu anderen österreichischen Städten sei das nicht so einfach zu beantworten. „Graz geht in Österreich ein bisserl unter“, erklärt die Fremdenführerin „aber wenn man dann einmal die anderen Landeshauptstädte besucht, dann merkt man, das Graz wirklich hervorsticht.“ Da sei das südliche Flair und die damit einhergehende Ruhe oder wenn man etwas gemeiner ist Langsamkeit. Da wären die unzähligen, über die ganze Stadt verteilten Bauernmärkte. Und man sei schnell wo anders, am Meer, in den Bergen oder auch in einer echten Großstadt, wie Wien.
Aktuell seien die meisten Teilnehmer der Discover Graz Touren noch Einheimische, die die Landeshauptstadt der Steiermark einmal etwas anders erleben wollen, doch sie hoffe, meint Ruth, dass sie in Zukunft mehr Touristen ihre Leidenschaft für Graz vermitteln werde können. Die Touristen könnten dabei noch einige andere Seiten von Graz sehen. Ruth Nezmahen erklärt: „Ich arbeite selbst im Bezirk Lend und finde, dass gerade Gries und Lend viel zu bieten haben und auch gerne mal überraschen!“ Zu den Geheimtipps von Ruth zählen Bo Suppe, die Managerie von Annenviertel-Enthusiastin Maria Reiner oder Omas Teekanne und noch viele mehr.
Natürlich sei das mit dem Weitersagen von Geheimtipps eine Gratwanderung, manche würden den zusätzlichen Andrang gar nicht wollen, aber sie habe bisher noch keine Probleme gehabt, meint Ruth Nezmahen. Und weil sie das mit dem Gatekeeping nicht so eng sieht, hat sie auch ein Buch mit dem Titel „Glücksorte in Graz“ verfasst, in dem sie quer über alle Bezirke verteilt, 80 spannende Orte in Graz porträtiert. Von Citypeach über die Ernst-Fuchs-Bar bis zur Friedenspagode im Volksgarten ist in dem Buch eine überaus bunte Mischung zu finden, wobei der ein oder andere Tipp wohl auch den besten Graz-Kennern unbekannt sein dürfte.
„Wir von Discover Graz sind ständig in der Stadt unterwegs und werden oft gar nicht mehr fertig mit dem Erkunden, weil wir uns ständig auf neue Sachen aufmerksam machen“, sagt Ruth Nezmahen, „Zu entdecken gibt es immer etwas!“ Doch wie erkundet man eigentlich richtig, wie entdeckt man Neues? Glaubt man Ruth, so ist das ganz simpel, man müsse einfach absichtlich in der Stadt verloren gehen und dabei die Augen offenhalten. Für Ortsansässige bietet es sich außerdem an, einfach einmal selbst Tourist zu spielen und durch die Stadt zu strawanzen, aber Vorsicht! Zu viel sollte man sich auch nicht vornehmen, gerade in so einer südlich angehauchten Stadt wie Graz. Hier zahlt es sich nämlich aus langsam zu sein, um die schönen Seiten nicht zu verpassen. Doch die einfachste Form Neues zu entdecken und passende geschichtliche Anekdoten zu erfahren, dürfte die Teilnahme an einer Discover Graz Tour von Ruth Nezmahen sein.