Sie lassen Glocken weltweit höherschlagen

Feuer und Flamme für Leut’ und Geläut: Während die Glocken zu Ostern nach Rom fliegen, fliegen weltweit Gießereien auf einzigartiges Handwerk aus Donnersbach. In der Kunstschmiede Schweiger entsteht das Herzstück, das tausende Glocken rund um die Welt höherschlagen lässt. Zu Besuch in der einzigen Glockenklöppelschmiede Österreichs.

Sie lassen Glocken weltweit höherschlagen

Feuer und Flamme für Leut’ und Geläut: Während die Glocken zu Ostern nach Rom fliegen, fliegen weltweit Gießereien auf einzigartiges Handwerk aus Donnersbach. In der Kunstschmiede Schweiger entsteht das Herzstück, das tausende Glocken rund um die Welt höherschlagen lässt. Zu Besuch in der einzigen Glockenklöppelschmiede Österreichs.

Der Zufall schmiedet immer noch die besten Pläne. Anders lässt es sich kaum erklären, wie eine kleine, einsame Schmiede da, wo sich die Wege zwischen Planneralm und Riesneralm scheiden, zum Epizentrum einer einzigartigen Handwerkskunst geworden ist. „Es war 2001 beim Donnersbacher Kirtag“, erinnert sich Seniorchef Johann Schweiger (60) an den Moment, an dem er „Ja“ gesagt hat. Und zwar „Ja“ auf die Frage eines Besuchers aus Deutschland, der für eine Glockengießerei tätig war. Dieser fragte den zwei Meter großen Schmied kurzerhand beim Kirtag, ob er sich vorstellen könnte, die zugehörigen Klöppel zu den Glocken zu schmieden.

Für den Kuss mit dem Guss

23 Jahre später läuten von den Philippinen bis Uruguay rund um den Erdball nicht weniger als 4000 Kirchturmglocken nach den Schlägen der handgeschmiedeten Klöppel aus Donnersbach. Wobei: „Der Klöppel darf die Glocke nur küssen, nicht hart anschlagen“, verrät Johanns Sohn Michael Schweiger ein wichtiges Geheimnis, während er das Eisen schmiedet, solange es noch heiß ist. „Lauwarm“, grinst er, als er die orange glühende Klöppelkugel aus dem fauchenden Ofenfeuer zieht und anhand der Farbe die Temperatur erkennt. Lauwarm heißt für ihn 800 Grad Celsius. „Da kommen wir schon zur Untergrenze fürs Schmieden.“

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Glockenherzschrittmacher

Der 30-Jährige, von der stattlichen Statur her ganz der Vater und das Abziehbild von einem Schmied, führt mittlerweile die Geschäfte der Kunstschmiede. Und weiß, worauf es ankommt: „Ein Klöppel muss von den Proportionen her exakt zur Glocke passen.“ Schließlich hat er schon mit elf, zwölf Jahren seine ersten Klöppel geschmiedet. Von den Glockengießereien erhält er millimetergenaue Anweisungen, wie die schwindelfrei schwingenden Kolosse auszusehen haben. Das ist grobe Feinstarbeit, bei Klöppeln, die im Falle der Kunstschmiede Donnersbach schon bis zu 140 Kilogramm schwer ausfallen können. „Bis 50 Kilo geht’s“, verrät Michael Schweiger ein weiteres Geheimnis. „Bis 100 Kilo wird’s zach, über 100 Kilo wird’s gscheit zach“, sekundiert sein Vater, während beide einen weiteren Glockenherzschrittmacher heiß verformen.

Doch egal, ob ein Klöppel für eine Glocke kolossal groß ausfällt oder doch recht klein: Die Grundbauart ist immer dieselbe: Ganz oben sorgt die „Platte“ für die spätere Aufhängung, darunter folgt die „Stange“, dann die „Kugel“ und am unteren Ende der sogenannte „Schwung“. „Ist der Schwung zu lange, beschädigt der Klöppel die Glocke, ist der Schwung zu kurz, hört die Glocke zu läuten auf“, verrät der Seniorchef – Betriebsgeheimnis Nummer drei. Apropos zu schlagen aufhören: Von Gründonnerstagabend bis zur Osternacht schweigen gemäß der österlichen Tradition die Kirchturmglocken, die sonst jahrein, jahraus einem jeden Tag den Takt vorgeben.

Vom Landwirt bis zum Milliardär

Von einer Stunde bis zwei Tage dauert es je nach ­Größe, bis die Obersteirer aus einem überraschend kleinen Rohling aus weichem, kohlenstoffarmem Stahl einen fertigen Klöppel geschmiedet haben. In ihrer Schmiede, die mit all ihren Werkzeugen, tonnenschweren Pressen und heißen Öfen ein bisserl aussieht wie aus der Zeit gefallen, werden aber bei Weitem nicht nur Pläne für Glockenklöppel geschmiedet. Ob kunstvoll gefertigte Wappen aus Bronze, schmiedeeiserne Stiegengeländer über mehrere Stockwerke oder Grabgestaltung im Friedhof – die Kundschaft der Donnersbacher Kunstschmiede reicht vom Haushalt von nebenan bis zu Adelshäusern in Frankreich – oder wie Michael Schweiger sagt: „Wir arbeiten für alle gern, vom Landwirt bis zum Milliardär.“

Fliegen die Funken?

Aber wenn Vater und Sohn (zusammen mit einem Gesellen und einem Lehrling) so eng zusammenarbeiten, sprühen da nicht manchmal auch außerhalb des Ofens feurige Funken? Wo doch jetzt der Junior der Chef ist? „Nein“, lacht der 30-Jährige, „mein Vater redet mir nicht wirklich drein.“ Selbst wenn es in der Werkstatt einmal heißer hergehen sollte: „Es ist noch nie passiert, dass wir nicht am Abend schon wieder ganz normal miteinander geredet haben.“ Und in der Zwischenzeit hält man sich halt einmal kurz an den eigenen Nachnamen.