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Philipp Lipiarski
„Ich liebe die Stille“
Als Moderator des „Ö3-Weckers“ begleitest du jeden Tag zwei Millionen Menschen beim Aufstehen. Bist du selbst eigentlich ein Morgenmensch?
Also es hat noch nie der Wecker um drei Uhr in der Früh geläutet und ich habe mir gedacht: „Geil! Endlich geht’s los.“ So ehrlich muss ich sein. Die Freude kommt erst im Laufe des Ö3-Wecker-Tages.
Wie sieht so ein Tag aus?
Das Handy weckt mich. Falls ich das überhöre, gibt es als Back-up einen alten analogen Wecker, der ein paar Meter vom Bett entfernt steht. Dieses Sicherheitsnetz habe ich aber noch nie gebraucht. Ab 3:30 Uhr lese ich mir alle Vorbereitungen für die Sendung, Mails, Qualitäts- und Boulevardmedien durch, schaue mir die „Zeit im Bild 2“ vom Vortag an. Da beginnt dann die Vorfreude auf die Sendung und aufs „Ö3-Wecker“-Team, mit dem man wenig später ganz Österreich aufweckt. Das ist wie in der Schule eine coole Gruppenarbeit mit Leuten, die man mag.
Wie schwer ist es, die Spaßkanone zu sein, auch wenn gerade die Welt untergeht?
Es lässt sich mit einer Herdplatte vergleichen, bei der man schaut, an welcher Stelle man die Temperatur ein bisschen nach oben drehen kann. Ist heute ein Tag, an dem viele traurig sind, weil etwas Negatives passiert ist? Will man also durch den „Ö3-Wecker“ in seinen Ängsten und Sorgen verstanden werden? Oder ist es ein Tag, an dem wir alle vollkommen euphorisiert sind, weil wir eine Medaille bei Olympia oder ein Fußballspiel bei der EM gewonnen haben? Da will man seine Freude teilen. An solchen Tagen können wir die Temperatur ein bisschen nach oben drehen.
Aber immer gut drauf zu sein, geht das überhaupt?
Es wirkt vielleicht so und gehört auch zum Beruf. Aber natürlich sind wir es auch nicht immer. Ich glaube jedoch, dass wir in einer Zeit leben, in der man bis zu einem gewissen Grad auch jedes andere Gefühl zulassen darf. Wir sind ja – nicht zuletzt wegen Social Media – ohnehin überladen mit „Fake-Emotionen“. Die will man im Radio nicht auch noch haben. Wenn es mir nicht gut geht oder ich traurig bin, dann ist es nicht unprofessionell, das auch zu sagen. Ich bin deswegen kein schlechterer Moderator. Aus meiner Sicht ist diese Ehrlichkeit ein ganz wichtiger Baustein, wie sich Radio weiterentwickeln kann.
Hast du selbst einen Lieblingssong?
Darf ich zwei sagen?
Ja, einen für die schönen, bunten Momente und einen für die grauen Tage, wenn man etwas Aufbauendes braucht.
Für die positiven Momente von Earth, Wind and Fire „September“, für die weniger schönen Augenblicke „Mockingbird“ von Eminem.
War es für deine Eltern eher ein „September“- oder „Mockingbird“-Moment, als du ihnen erklärt hast, dass – nach der Matura im Akademischen Gymnasium in Graz und einem begonnenen BWL-Studium – das mit der akademischen Laufbahn nichts wird und du stattdessen zum Radio gehst?
Auch da muss ich zwei Antworten geben – für jede Elternhälfte eine: Mein Vater war, was meine Berufskarriere betrifft, immer ein sehr genügsamer Mensch. Er war mit allem zufrieden und hatte ein absolutes Grundvertrauen mir gegenüber – nämlich, dass es schon gut gehen wird. Die Mama hat dafür sorgen müssen, dass tatsächlich etwas aus uns Kindern wird. Sie hat den Ehrgeiz und den Zug nach vorne ins Leben gebracht.
Und von ihr kam nie der Einwand, dass das mit dem Radio zwar ein nettes Hobby, aber kein echter Beruf ist?
Nein, da habe ich sie mit meiner Freude an der Arbeit eingelullt und so auf meine Seite geholt, dass sie es schlussendlich akzeptiert hat, dass Radiomachen meine Leidenschaft ist. Sie hat aber noch lange in die Ö3-Karriere hinein gemeint, dass fertig zu studieren nicht schlecht wäre. Und an schwachen Tagen glaubt sie wohl immer noch, dass ich es auch tun werde. Aber daraus wird nichts. Das ist vorbei.
Einen Plan B hat es für dich nie gegeben?
Ich habe BWL nicht aus Verlegenheit studiert. Das hätte ich mir schon vorstellen können. Aber aus heutiger Sicht, 15 Jahre nachdem ich die Entscheidung treffen musste, in welche Richtung es in meinem Leben gehen soll, habe ich mich damals total angelogen: Eigentlich wollte ich immer etwas Künstlerisches machen. Mein Plan B wäre Schauspiel, Drehbuch, Regie gewesen. Das hätte mir extrem gut gefallen. Also auch da ein Kreativberuf.
Neben der Arbeit bei Ö3 hostest du zusammen mit Paul Pizzera und Gabi Hiller den wöchentlichen Podcast „Hawi D’Ehre“. Wie geht sich das zeitlich alles bei allen aus?
Da gibt es zwei Dinge, die wir uns tatsächlich selbst nicht erklären können, dass sie angesichts unserer vollen Kalender funktionieren: Das ist zum einen die Terminfindung und dass wir es über 230 Wochen ohne Unterbrechung – keine Sommerpause, kein Weihnachtsbreak – geschafft haben, immer einen Podcast aufzunehmen. Das ist schon sehr geil. Und es ist auch inhaltlich etwas Besonderes. Wann sonst nimmt man sich die Zeit, dass man sich proaktiv hinsetzt und 45 Minuten ohne irgendeine Ablenkung konzentriert auf ein Gespräch einlässt. Es kann jeder für sich überlegen, wann er das das letzte Mal gemacht und geschafft hat: sich eine Dreiviertelstunde mit jemandem zu unterhalten, ohne aufs Handy zu schauen oder aufs Klo zu gehen oder nebenbei etwas anderes zu machen.
Da ihr mit diesem Podcast auch Liveauftritte habt und du auch dann und wann im Fernsehen zu sehen bist, verändert sich im Vergleich zu einer reinen Radiostimme der Wiedererkennungswert. Wird man da vorsichtiger, was man in der Öffentlichkeit tut?
Ich hatte diesbezüglich einmal eine sehr unangenehme Situation, als ich an einer Ampel neben zwei Damen gestanden bin und gedacht habe, sie erkennen mich und reden über mich. Also habe ich sie gefragt, ob sie schnell ein gemeinsames Foto mit mir machen wollen. Sie aber haben mich nur verstört angeschaut und gesagt: „Sorry?“ Dann musste ich ihnen auf Englisch erklären, warum ich gedacht habe, dass sie mit mir ein Foto machen wollen. Das war schon sehr, sehr unangenehm. Arroganter geht es ja gar nicht. Ich fange jetzt noch zu schwitzen an, wenn ich die Geschichte erzähle.
Unbestritten ist, dass du viel gehört wirst und mittlerweile viel geehrt bist. Wie wichtig sind dir Auszeichnungen und Preise? Wie eitel ist Philipp Hansa diesbezüglich?
Die Frage, wie eitel man ist, kann man nur auf eine eitle Art beantworten. Ich versuche, diese Falle auf folgende Weise zu umgehen: Ich habe eine Trophäe, die mich am allerglücklichsten macht: Es ist ein Pokal aus dem Jahr 2007, als ich als Schüler sechs Monate in Australien bei einer Gastfamilie verbracht habe. Auf dem Pokal ist zwar mein Name falsch geschrieben – mit zwei „l“ und einem „p“ – aber das ist mir egal. Ich habe ihn für das „Tor des Monats“ bekommen.
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Thomas Kamenar/www.studiokamenar.com